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Samstag, 21. April 2007

Verwirrung - und was Verwirrung schlecht macht

Astrid ist Versicherungsmaklerin. Nachdem sie aus ihrer letzten Arbeitsstelle heraus gemoppt worden ist, und wegen eines burn-out ein Jahr nicht arbeiten konnte, hatte sie die neue Arbeitsstelle angenommen und ist eigentlich sehr glücklich. Mit ihren meist männlichen Kollegen versteht sie sich gut. Ein Problem aber sucht sie seit der belastenden Situation auf der früheren Arbeit immer wieder heim. Sie "leidet unter Verwirrung" – so jedenfalls drückt sie sich aus. Auf Nachfrage erläutert sie: "Ich kann dann den Menschen, mit dem ich spreche, nicht mehr genau abschätzen und frage mich häufiger, ob ich ihn wirklich richtig sehe!"
Natürlich ist Astrid auch ein Opfer von Mobbing, hier aber wird sie ein Opfer ihrer eigenen Vernunft, oder – besser – ihrer Vorstellung, was Vernunft zu sein hat.

Verwirrung/Unruhe
Wir leben immer noch in einer allzu "vernünftigen" Kultur. Klarheit, Bildung, Sicherheit im Urteil scheinen Ideale zu sein, die man verwirklichen sollte. Häufig genug werden Menschen lächerlich gemacht, wenn sie keine "geistige Klarheit" besitzen. Häufig genug stellen sich Menschen selbst noch zusätzlich ein Bein, wenn sie sich verwirrt fühlen. Als ob man Klarheit besitzen könne! Hier zeigt schon die Wortwahl, wie täuschend unsere Ideale sind.
Mein Lieblingsspruch dazu lautet "Verwirrung ist kein Schönheitsfehler!"
Ich sehe Verwirrung nicht als schlecht an, im Gegenteil. Das Problem ist doch nur, wenn man keine Techniken zur Hand hat, damit umzugehen.

Eigentlich ist Verwirrung, oder Unrast, oder diffuse Ungeduld nur ein Zeichen für das Weiterdrängen, für eine Suche nach sich selbst. Wer ungeduldig ist, der will auf Reisen gehen. Wer auf Reisen geht, will natürlich auch zurückkehren. Was bringt man mit nach Hause? Sich selbst, aber sich selbst gewandelt durch die Reise.
Natürlich ist die Reise hier nur ein Bild dafür, dass man auf der Suche nach sich selbst etwas tun muss, aktiv werden muss. "Im Anfang war die Tat." – so steht es in Goethes Faust. Da jede Suche nach sich selbst durch Handlungen in der materiellen Welt vonstatten geht, ist die Unruhe sozusagen das Handlungsgefühl, während die Verwirrung das Erkenntnisgefühl ist. Beide – Unruhe und Verwirrung - gehören mehr oder weniger zusammen.
Sich selbst zu finden heißt natürlich auch, sich selbst zu schaffen. Die Suche nach sich selbst ist kein wissenschaftlicher Vorgang, sondern ein kreativer. Natürlich ist die Wissenschaft auch kreativ - es gibt ja keine Analyse, die an sich "wahr" ist. Analysen produzieren "Realitäten", und insofern darf man Analysen auch kreativ einsetzen. Salopp gesagt: wie die Serviettentechnik oder das Kochrezept.

Handlungen
"Reisen" hatte ich eben gesagt und dieses dann durch Handlung ersetzt. Was aber macht eine Handlung?
In einer Handlung "stößt" der menschliche Körper mit den Dingen zusammen. Das ist zwar eine etwas seltsame Formulierung, aber sie zeigt vielleicht am besten, dass sich hier zwei sehr verschiedene Phänomene treffen: ein Subjekt (der Mensch) und ein Objekt (irgendeine Sache).
Bei diesem "Zusammenstoß" passiert folgendes: der Mensch bewegt mit Hilfe seines Körpers etwas in der Welt. Er stellt eine Blume auf die Fensterbank, er schmiert ein Brot, er öffnet ein Fenster. Der Mensch kann sogar sich selbst bewegen – zum Beispiel beim Spazierengehen – und bewegt damit etwas in der Welt.
Gleichzeitig aber bewirkt dieser "Zusammenstoß", dass sich etwas im Menschen ändert. Wenn der Mensch eine Blume auf die Fensterbank stellt, erfährt er zum Beispiel, wie sich eine Blume in der Hand anfühlt. Wenn er ein Brot streicht, erfährt er etwas über die Temperatur des Messers oder den Widerstand des Brotes beim Streichen.

Das ist alles so einfach, dass wir uns kaum Gedanken darüber machen.

Wichtig ist mir hier nur, dass die Handlung nach zwei Seiten wirkt. Sie verändert gleichzeitig den handelnden Menschen und die Umwelt. Tatsächlich scheint es vor allem die Handlung zu sein, durch die sich der Mensch selbst erfindet. Und in der Handlung erfährt der Mensch die Welt.
Wer sich also verwirrt fühlt, wer unruhig ist, sollte handeln. Weniger sinnvoll ist es, sich in einen Sessel zu hocken und darauf zu warten, dass die Verwirrung aufhört. Zwar handelt auch der Mensch, wenn er sich in einen Sessel hockt, aber seien wir mal ehrlich: eine besonders lehrreiche Handlung ist das nicht, oder?

Genießen
Ich erinnere mich an eine kleine Szene aus der Serie "Fame", in die ich vor vielen Jahren zufälligerweise hineingeschaut habe. "Fame" – aus dem das berühmte Musical entstanden ist.
In dieser Szene wird einer der jungen Schauspieler gezeigt. Er hatte die Aufgabe bekommen, alles, was er tut, ganz genau zu beobachten. Nun sitzt er mit seinen Eltern und seiner Schwester am Tisch und isst. Soweit ich mich erinnere, sind es Spaghetti. Zunächst ist die familiäre Situation angenehm entspannt. Der Schauspieler will gerade die Gabel zum Mund führen, als er plötzlich zögert, die Hand sinken lässt, sie noch einmal hochhebt, dann seinen Blick zu seinen Eltern und seiner Schwester gleiten lässt, wie diese ihre Gabel zum Mund führen. Die Familie ist irritiert. Die Mutter fragt nervös: "Schmeckt dir mein Essen nicht?" Der Schauspieler: "Doch, doch!" Dann erklärt er seine Aufgabe. Nun beginnt auch die kleine Schwester, sich beim Essen genau zu beobachten. Besorgter Blick von der Mutter zum Vater.

Diese Szene scheint wenig mit dem Genießen zu tun zu haben. Und doch: Ist Genießen nicht das bewusste Handeln? Legt man nicht all seine Aufmerksamkeit in das Phänomen, dass ich im Handeln etwas erfahre, während ich gleichzeitig die Welt verändere – und sei es nur, dass ich mir ein Stück Brokkoli in den Mund stecke?
Man könnte also sagen: Genießen ist das Bewusstsein dafür, dass Handeln mich von der Welt trennt und gleichzeitig mit ihr verbindet.

Ich hatte oben geschrieben, dass Verwirrung ein Erkenntnisgefühl und Unruhe ein Handlungsgefühl ist. Verwirrung zeigt hier nach innen, in den Menschen hinein, Unruhe zeigt nach außen, aus dem Menschen heraus. Vielleicht sollte man in solchen Situationen, in denen man unruhig und verwirrt ist, einfach mal die Geschwindigkeit aus den Handlungen nehmen und stattdessen seine Handlungen ganz langsam und ganz bewusst ausführen, mit einem Worte: sich selbst genießen. Eben so wie jener Schauspielschüler aus "Fame" seinen Brokkoli gegessen hat.
Adrian

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Eben so wie jener Schauspielschüler aus "Fame" seinen Brokkoli gegessen hat."

Hat Dich nun Dein Handeln (schreiben) auch schon verwirrt?? ;o))
Er as Spaghetti, keinen Brokkoli... *schmunzel*. Oder wolltest Du schauen, wer bewußt handelt und Deine Texte genießt ;-))).

Handelnde Grüße
Sabine ;-)

Anonym hat gesagt…

Jaaaa!!! das kenne ich nur zu gut.
Verwirrtheit und innere Unruhe. Nicht mehr wissen, was richtig oder falsch ist. Nicht mehr wissen, warum das so passiert ist. Ob man selber dran schuld ist oder ob einem jemand was böses wollte. Bei mir ist es immer das, nach Schuld suchen.....(warum auch immer). Bin ich schuld oder der andere oder die anderen. Bin ich wieder Opfer geworden oder bin ich sogar auch dadurch wieder Täter.
Lieber Adrian, als du über die Handlungen schriebst, fühlte ich mich sehr sehr davon angesprochen und mein erster Impuls war sofort zu handeln, bzgl. einer bestimmten Situation aber irgendwas in mir riet mir es nicht zu tun. Aber der Drang danach ist sehr groß. Nur so komme ich weiter und ich will weiter, die innere Unruhe wird immer stärker, wenn ich nichts tue. Dann laß ich weiter und beim Genießen kam mir ein rettender Gedannke. Vielleicht sollte ich genauer schauen, wie ich handel, in welche Richtung sich meist mein handeln bewegt und ob dieses Handeln auf den richtigen Grundsätzen gebaut ist, nämlich nach Schuld und Recht suchen.
Und ob mich mein voreiliges Handeln weiter bringt. Wenn ich anrufe---handel---wird es wieder darin enden, dass ich "schreie" und Vorwürfe mache und der andere auflegt und ich danach durchdrehe und mit Telefonterror beginne, meine Handlung durchziehen zu wollen. Mein Recht bekommen zu wollen. Mit dem Kopf durch die Wand, nachdem ich zu lange gewartet habe und "Schreien" das sind zwei Faktoren, die ich nur zu gut kenne, die mich aber nicht weiter gebracht haben, ausser zu flüchten.
Damit fange ich wieder vorne an, bei der Verwirrtheit. Vielleicht ist es ein Kreislauf. Adrian, kann es auch ein Kreislauf sein? Aber jedesmal durch das Genießen, durch das langsame Handeln kommt man ein winzig kleines Stück weiter. Ist ein winzig kleines Stück näher an sich dran. Und vielleicht irgendwann kann ich meine unbewußten Überzeugungen dadurch ändern und zu einem für mich und den anderen befriedigenden Handeln führen.... .
War jetzt etwas abstrakt und ist es auch noch. Weil ich überlege...
Trotzdem danke! :)

Anonym hat gesagt…

Ah okay, ich hab für mich die Lösung gefunden. Ich möchte weg von einem negativen Handeln, was auf negative Überzeugungen beruht, hin zu einem positiven Handeln, was auf positiven Überzeugungen ruht. Ob das immer so klappen wird, ich bin mal gespannt :) .

Adrian hat gesagt…

Hallo Sabine!

Du hast mich erwischt: tatsächlich ist es fünfzehn Jahre her, dass ich diese Szene gesehen habe und noch beim Schreiben dachte ich darüber nach, was die Familie zum Essen hatte. Schließlich habe ich Brokkoli eingesetzt. - Wahrscheinlich war es aber wohl doch das Spaghetti.

Adrian