Kartenlegen und Traumdeutung
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Sonntag, 13. Mai 2007

Kreativität lässt sich nicht lernen!

Das jedenfalls behauptete ein Mensch, neulich, als ich ihm die Karten legte und dann - um seine Situation ein wenig genauer abzuklären - ins Horoskop schaute.
Dieser Mensch, ich nenne ihn hier mal Georg, hatte seinen Mond, seinen Neptun und seinen Lilith im 5. Haus und im Skorpion stehen. Das 5. Haus wird gerne als Haus der Kreativität bezeichnet. Dies stimmt nicht ausschließlich, gibt aber eine gute Zusammenfassung von dem, was man von Planeten im 5. Haus erwarten kann. Der Skorpion ist das psychotherapeutischste Sternzeichen im Tierkreis. Und da Georg wegen einem Nervenzusammenbruch in einer Psychiatrie gewesen war und dort die Kunsttherapie am besten fand ... -
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich empfahl Georg das Buch "Der Weg des Künstlers", um sich mit seinen kreativen Potentialen auseinanderzusetzen. Daraufhin fiel jener Satz: Kreativität lässt sich nicht lernen!

Ernsthaft: Sich selbst dumm machen!
Hübsche Aufforderung, nicht wahr?
Die ist aber durchaus ernst gemeint.
Natürlich findet man diese Aufforderung nicht in den einschlägigen wissenschaftlichen Büchern. Dort liest man aber solche Begriffe wie Selbstsimplifikation - Selbstvereinfachung. Z.B. bei Niklas Luhmann in seinem Buch "Soziale Systeme".

Selbstvereinfachung
Also nicht Verdummung, aber Vereinfachung: nur wieso?
Laut den Systemtheoretikern ist jeder Mensch ein komplexes Wesen. Komplexität - das bedeutet, dass es viele Elemente gibt, z.B. viele Gedanken, und die meisten davon kann man nicht gleichzeitig denken. Was also macht man? Man denkt sie einfach nacheinander. - So einfach geht das! Bei Niklas Luhmann heißt das dann - sehr pompös - temporalisierte Komplexität.
Man kann also nicht alles denken, vor allem nicht alles auf einmal. Hintereinander alles zu denken, dürfte aber auch recht schwierig werden. Ich denke bestimmte Sachen wesentlich häufiger als andere, z.B. dass ich Milch in den Kühlschrank stellen muss, denke ich häufiger, als die Formel der Relativitätstheorie. Das ist auch sinnvoll. Die Milch im Kühlschrank entspricht viel mehr meiner sinnlichen und konkreten Welt. (Die Relativität der Zeit verwuschelt mir höchstens mal die Haare.)
Schließlich kann man auch an sich selbst denken. Gelegentlich macht man das sogar bewusst. Und jetzt kommt der entscheidende Kniff bei dem Gedanken: ich bin ein komplexes Wesen. Ich denke an mich. Kann ich genauso komplex an mich denken, wie ich wirklich bin? Also kann ich so an mich denken, dass ich mich in mir selbst verdoppele? - Schon der Satz hört sich verdreht an. Die Lösung ist natürlich einfach: Nein, ich kann mich selbst nie so denken, wie ich wirklich bin. Ich habe immer ein einfacheres Abbild von mir selbst.
Und natürlich kann kein Mensch sich so sehen, wie er wirklich ist.
Das ist ja keine Faulheit, sondern einfach eine Notwendigkeit.

Was hat das alles mit Kreativität zu tun?
Ganz einfach: man kann seine "Selbstverdummung" so betreiben, dass man die Kreativität NICHT sieht - oder man kann sie so betreiben, dass man seine Kreativität sieht.
Günstiger ist natürlich, wenn man seine Kreativität sieht. Aus zweierlei Gründen übrigens: 1. ist Kreativität etwas Positives und indem man seine eigene Kreativität sieht, kann man sich positiv sehen, noch positiver als sowieso schon; 2. ist Kreativität notwendig, wenn wir uns selbst verändern wollen - sehe ich dann noch meine eigene Kreativität, kann ich mit dieser arbeiten und so meine eigene Veränderung ein Stück weit steuern.

Ich darf mir also aussuchen, wie ich mich sehen möchte. Positiv oder negativ: für beide Sichten bin ich verantwortlich.
Beide Sichten sind natürlich nicht "wahr", zumindest sind sie beide Selbstsimplifikationen, Vereinfachungen.

Nein, Kreativität kann man nicht lernen; aber man kann lernen, seine eigene Kreativität zu sehen, oder man kann lernen, für sie blind zu sein.

Dienstag, 10. April 2007

Der helfende Dritte

Ich hoffe, ihr habt alle schöne Ostern gehabt.
Ich jedenfalls hatte sie.

Zu meinem Beitrag "Männer?" kommentierte Schwarze Wölfin, dass nicht nur Männer häufig veränderungsunwillig seien. Natürlich hat sie recht! - Ich war hier gerade etwas genervt von meinen Geschlechtsgenossen.

Spielregeln
In den letzten drei Tagen hat uns eine Frau etwas in Atem gehalten. Nennen wir sie der Einfachheit halber Astrid. Astrid ist die Mutter eines vierjährigen Mädchens. Der Vater dieses Mädchen - nennen wir ihn Timo - ist ein guter Freund von mir. Timo ist mittlerweile schwul.
Ich habe eine Tochter im selben Alter. Wir haben uns - wie sollte es sonst sein? - auf einem Spielplatz kennen gelernt.
Ostern haben wir gemeinsam verbracht. Timo und Astrid, meine Frau und ich, unsere Kinder. Nachmittags haben wir Spiele gespielt. Wir alle haben natürlich so gespielt, selbst mein zehnjähriger Sohn, dass die beiden vierjährigen Mädchen gewinnen würden und natürlich waren beide total stolz, als sie so weit vorne lagen und eigentlich sicher war, dass sie gewinnen würden.
Dann aber änderte Astrid - die Mutter - mitten im Spiel die Spielregeln ab, gegen die gebräuchlichen Spielregeln: hätten wir das durchgehen lassen, hätte sie das Spiel gewonnen.

Ich bin ziemlich sauer und dann auch laut geworden. Diese Regeländerungen wollte ich nicht durchgehen lassen. Schließlich hat Astrid auch beleidigt beigegeben.

Ich kenne Timo zwar erst seit zwei Jahren, aber er hat mir ziemlich viel von der Beziehung zu dieser Frau erzählt. Dass sie die Regeln mal so und mal so abändert, kommt ziemlich häufig vor. Timo spricht mit ihr zum Beispiel ab, dass er seine Tochter donnerstags vom Kindergarten abholt. Er kommt zum Kindergarten. Seine Tochter ist schon abgeholt worden - von Astrid natürlich. Er ruft sie an. Ja, sagt sie, sie hat es sich anders überlegt.
Freitags ruft sie ihn an, warum er seine Tochter nicht vom Kindergarten abholt. Timo wusste von nichts. Sie wirft ihm vor, er würde sich nicht um seine Tochter kümmern. Timo gerät in Panik. Er hat kein Sorgerecht und noch nicht mal ein Besuchsrecht für seine Tochter. Astrid hat gerichtlich erkämpft, dass er das nicht bekommt. Angeblich sei Timo zu labil.
Gut, Timo ist tatsächlich sehr labil. Aber er liebt seine Tochter und er ist ein hervorragender Vater. Timos Labilität zeigt sich eher gegenüber dieser Frau. Wir sprechen immer wieder darüber, dass sie die Wirklichkeit verdreht und dass sie die eine oder andere Tatsache einfach erfindet oder verändert oder weglässt. - Timo beschreibt sich selbst als vergesslich und hat immer wieder Angst, dass er tatsächlich irgendetwas falsch wahrgenommen hat.

Zu alldem kommt Timos Homosexualität. Astrids Eltern sind gegenüber Timo extrem feindselig. Der Streit wird hier über das kleine Mädchen ausgetragen. Timo sei, weil er homosexuell sei, für die Kleine gefährlich. Er würde sie, so behaupten die Großeltern, missbrauchen. Das hat die Kleine ihrem Vater wörtlich gesagt. Nur verstanden hat sie es - zum Glück! - nicht.

Wie Astrid hier, nur um zu gewinnen, die Spielregeln verändert, konnten wir beim Spielen eines Brettspieles deutlich beobachten. Und nach allem, was ich von Timo erfahren habe, macht sie es in ihrem sonstigen Leben genauso.

Mein Streit mit Astrid hatte dann folgende Auswirkung: Astrid hat am nächsten Morgen Timos Schwester angerufen und ihr erzählt, dass Timos Freund - hier wurde ich also mal rasch homosexuell gemacht - Timo gegen sie und ihre Tochter aufhetzen würde.
Die Schwester war sehr beunruhigt. Timo hatte eineinhalb Jahre nach der Geburt seiner Tochter einen Nervenzusammenbruch gehabt. Er hatte sich damals schon entschieden, schwul zu leben. Der Arzt in der Nervenklinik hatte sie damals eingeladen, um hier ein "klärendes" Gespräch mit beiden zu führen. Daraufhin schilderte Astrid die Beziehung zu Timo zunächst in den leuchtendsten Farben, und dann sei er plötzlich, aus heiterem Himmel, komisch geworden. Der Arzt sagte dann, vor Astrid und vor Timo, schwere psychische Erkrankungen kündigten sich häufig durch homosexuelle Verschmelzungstendenzen an.
Natürlich war die Beziehung zwischen Astrid und Timo nie einfach und auch eigentlich recht kurz gewesen. Von einer Bilderbuchbeziehung konnte man schon garnicht sprechen. Timo reagierte auf diese Beschreibung von Astrid sehr aggressiv. Dies kommentierte der Arzt damit, Timo würde die Wirklichkeit verkennen und Astrid brauche sich keine Sorgen zu machen.

Hier wird sehr deutlich, wie die Annahme, jemand sei psychisch krank, seine eigentlich gesunde Reaktion als krank erscheinen lässt.

Auch Timos Schwester ist immer in Hab-Acht!-Stellung. Sie liebt ihren Bruder sehr, aber sie hat Angst, dass er wieder zusammenbricht.
Astrids Anruf bei ihr hat sie alarmiert. Sie hat dann bei Timo angerufen und, wie sie mir später erzählte, herauszuhören versucht, ob Timo wirklich wieder "krank" wird. Dadurch war der Anruf natürlich sehr verwirrend. Timo wusste nicht, nach welchen Spielregeln seine Schwester spielt, während seine Schwester ihn schonen wollte und ihm ihre Spielregeln nicht erklärt hat. Der Anruf ist also seltsam verlaufen. Jetzt war Timo richtig verwirrt, denn er hatte das Gefühl, seine Schwester sei ärgerlich auf ihn, wolle ihm dies aber nicht zeigen. Die Schwester hingegen dachte, dass Timo durch einen bevorstehenden Nervenzusammenbruch so seltsam reagiert, und war ihrerseits sehr verwirrt, was sie nun tun sollte.
Von Astrids Anruf bei der Schwester wurde natürlich kein Wort gesagt.

Timo hat uns dann gebeten, mit seiner Schwester zu telefonieren, um herauszufinden, warum sie ärgerlich auf ihn ist.
Mir hat sie dann natürlich von Astrids Anruf erzählt, und ich konnte hier eine Gegendarstellung zu Astrids Geschichte liefern.

Daraufhin löste sich das Ganze - glücklicherweise - in Wohlgefallen auf.

Nicht nur Brettspiele haben Spielregeln. Auch Beziehungen haben ihre offiziellen und heimliche Spielregeln.
Astrids Spielregeln scheinen zu lauten: Ich mache die Spielregeln! Ich gewinne immer, notfalls, indem ich die Spielregeln ändere!

Natürlich gehören hier zwei Seiten dazu. Timos Spielregel lautet eher: Ich passe mich immer an! - Als Astrid die Regeln des Brettspiels zu ihren Gunsten geändert hat, hat ja nicht Timo eingegriffen, sondern ich.
Timos zweite Spielregel lautet: Auf heimliche Regeländerungen reagiere ich verwirrt und denke, dass ich Schuld habe, wenn ich verwirrt bin! - Das ist ein Teufelskreis: Statt hier die Spielregeln deutlich einzufordern, die bisher üblich waren, versucht Timo sich hier an Regeln anzupassen, die er manchmal garnicht kennt, und scheitert damit natürlich.
Timo versucht hier also, den Konflikt zu vermeiden und beschwört damit einen meist noch viel schlimmeren Konflikt herauf: das fehlende Sorgerecht und Besuchsrecht für seine Tochter, der Nervenzusammenbruch. - Und das ist tatsächlich nicht Astrids Verantwortung. Das muss er selbst lernen.

Zirkuläres Fragen
Seltsamerweise hat mir das Osterfest noch eine schöne kleine Überraschung gebracht. Ein anderer Freund versorgt mich immer mal wieder mit Büchern, und diesmal sollte es das Buch "Zirkuläres Fragen" von Fritz B. Simon und Christel Rech-Simon sein.
Die beiden Autoren bieten ein höchst vergnügliches Lehrbuch der Systemischen Therapie mit recht ausführlichen Protokollen aus Therapiesitzungen. Es lohnt sich, das zu kaufen.

Die systemische Therapie beschäftigt sich mit solchen Fragen wie: Welche Spielregeln gilt für welches Familienmitglied? - Das Buch passte hier also hervorragend zu unserem Erlebnis mit Astrid und Timo.

Der helfende Dritte
In dem Buch findet sich ein Fallbeispiel, in dem sich eine Frau als therapieresistent zeigt.
Tatsächlich ist die Ehe der Frau eigentlich keine schöne Ehe. Die Ehe führt zu Belastungen. Die Frau wird krank. Sie geht in die Therapie, um sich von ihrer Krankheit therapieren zu lassen. Dann geht sie zurück in die Ehe.
Der Therapeut, der hier mit der Frau arbeitet, hilft also Mann und Frau eine Ehe aufrecht zu erhalten, die die beiden ohne Hilfe nicht ertragen könnten. - Der Mann scheint hier dem Therapeuten die Aufgabe zuzuschieben, sich um das seelische Wohl seiner Frau zu kümmern, wie ein guter Ehemann das tun würde. Gleichzeitig kann der Mann aber sicher sein, dass der Therapeut kein ernsthafter Konkurrent ist: der Therapeut darf keine sexuelle Beziehung zu der Patientin einnehmen.

Hier also ist das Problem, dass der Therapeut nicht die Lösung des Problems ist. Er gehört zu dem Problem mit dazu. Und solange er Therapeut bleibt, existiert dieses Problem auch weiter. Kein Wunder also, dass keine Therapie bei der Frau anschlägt.
Umgekehrt ist natürlich, dass der Therapeut, wenn er seine Rolle aufgibt, automatisch die Ehe gefährdet, was zu einem Abbruch der Therapie führt. Offiziell und vielleicht sogar berechtigterweise hat hier der Therapeut seine Kompetenzen überschritten oder sie nicht genügend erfüllt. Inoffiziell hat er natürlich die heimlichen Spielregeln zwischen den Ehepartnern durchbrochen: der Therapeut kümmert sich um die Frau, der Mann bezahlt, die Frau ist krank, der Mann hat als einziger sexuellen Kontakt mit ihr.

Diese Arbeit mit den Spielregeln ist ein sehr machtvolles therapeutisches Instrument.
Herr Simon und Frau Rech-Simon schildern in ihrem Buch humorvoll und spannend die Auswirkungen solcher Spielregeln und wie man dann konkret mit ihnen umgeht. Zudem ist das Buch hervorragend lesbar.

Insofern war dieses Ostern höchst lehrreich für mich.

Euer
Adrian

Sonntag, 11. März 2007

Mit alltäglichen Handlungen die Schlachten schlagen

Josi hat in ein, zwei Sätzen eine Erkenntnis auf den Punkt gebracht, die ich selbst nie so klar hätte formulieren können.



Josi schreibt also:

Mit Eintritt in die Probleme [einer psychischen Erkrankung - Adrian] befindet man sich im Kriegszustand, nur das die Schlachten so gut wie nie mit Waffen bei mir geschlagen wurden, sondern mit alltäglichen Handlungen. Ich hatte die Wahl zu lernen und ein Spirituelles Leben zu führen oder sehr viele Medikamente zu nehmen.



Hallo Josi!

So ein Wirrkopf, wie du behauptest, bist du garnicht - im Gegenteil: das ist ein wunderschöner (erster) Satz. Tatsächlich ist das ein Satz, der einem den Tag retten kann.



Die Wahl, die du getroffen hast, ist vielleicht die arbeitsreichere gewesen, aber sicherlich die bessere. Lieber ein verrückter Schamane als eine Medikamentenleiche. Und: ich war selber zehn Jahre in der Psychiatrie, allerdings jobmäßig, und hatte immer das Gefühl, dass einige der Menschen dort nicht an Wahnsinn, sondern an einer völlig anderen Klarsicht leiden. Vielleicht ist das bei dir tatsächlich so, dass der - von der offiziellen Medizin verpönten - spirituelle Weg dein gesunder Weg ist.



Liebe Grüße,

Adrian

Donnerstag, 1. März 2007

Eine Traumdeutung

Gestern rief Paula sehr aufgeregt bei mir an. Sie hatte in der Nacht zuvor folgenden Traum gehabt und wollte ihn von mir gedeutet haben:

Der Traum
Paula fährt mit ihrem Auto auf einer Landstraße. Sie spürt, dass ein kleines Mädchen hinten im Wagen sitzt und glaubt, dass es ihre Tochter ist. Die Landstraße mündet auf eine Autobahn, allerdings von der "verkehrten Seite", das heißt, Paula muss, um auf die Spur zum Einfädeln zu kommen, über die anderen Spuren Autobahn hinüber fahren. Allerdings ist das kein Problem, denn die Autobahn ist vollkommen leer. Nur ein einzelner Wagen kommt in großer Entfernung herangefahren. Paula fährt also los, doch in diesem Moment ist der andere Wagen heran. Darin sitzt ein Mann, der sich sehr erschrickt, die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert und die Leitplanke durchbricht. Kaum ist das geschehen, ist die Autobahn voller Wagen, die plötzlich alle aufeinander fahren und gegeneinander stoßen. Auch von der Landstraße biegen LKW's und Busse auf die Autobahn ein und werden in den Massenunfall verwickelt. Dann schießt ein riesiger roter Truck über die Autos hinweg, und überschlägt sich mehrmals in der Luft. Paula denkt: sie muss hier unbedingt fort, sieht dann aber, dass der Truck über sie hinwegfliegen wird. Das geschieht auch. In diesem Moment wacht Paula auf.

Wahrträume
Wahrträume sind hellsichtige Träume, die die Zukunft vorhersagen. Paula rief an, weil sie Angst hatte, dass dieser Traum Wirklichkeit wird. Sie hatte vor fünfzehn das Autofahren aufgegeben, weil sie damals in einen Unfall verwickelt war. Damals hatte ihr ein Mann die Vorfahrt genommen, wodurch sie in dessen Wagen hineingefahren ist. Außerdem ist ihr ein anderer Wagen hinten drauf gefahren.
Paula hat erst vor einem Jahr sich wieder ein Auto gekauft und jetzt natürlich Angst, dass ihr wieder eine solche Situation passieren könnte.

Angstträume
Angstträume funktionieren ganz anders als Wahrträume: Angstträume verarbeiten in Bildern Ängste, über die sich der wache Mensch nicht bewusst ist.
Ich hatte bei Paula sofort die Gewissheit, dass ihr Traum kein Wahrtraum ist, sondern ein Angsttraum.

1. Teil der Traumdeutung
Ich schlug Paula zunächst vor, den Traum symbolisch zu lesen. Das Auto, so deutete ich ihr, ist nicht ein echtes Auto, sondern ihr "sozialer Körper": dieser besteht aus sozialen Regeln. Paula verursacht als mit ihren sozialen Regeln Massenkarambolagen - dies habe ich ihr jedoch erst später gesagt. Zunächst einmal entdeckte Paula, dass es in ihrem Traum nicht um Unfälle, sondern um Streit geht.
Sie fährt friedlich vor sich hin (die Landstraße), will dann etwas zusammen mit anderen Menschen machen (die Autobahn) und automatisch kommt es zum Streit (Unfälle).

Paulas Leben
Hier stutzte Paula.
Tatsächlich hatte sie sich am Abend vorher heftigst mit ihrem Bruder gestritten.
Paula hat zwei Kinder, ein Junge (8) und ein Mädchen (11). Den Vater ihrer Kinder hatte sie kurz nach der Geburt ihres Sohnes verlassen, weil er gewalttätig geworden war.
Vor einem halben Jahr ist Paula dann zu ihrem älteren Bruder gezogen, weil dieser ein Haus besitzt und sie dort billig wohnen konnte. Bis dahin hatte sich Paula mit ihrem Bruder immer hervorragend verstanden. Jetzt aber wurde der Bruder - vor allem, wenn er getrunken hatte - sehr schroff und beleidigend. Immer häufiger kam es zum Streit. Paula wollte die Konflikte mit ihrem Bruder klären, woraufhin dieser sich immer mehr zurückzog und teilweise sich wie ein Kleinkind benahm. Wenn zum Beispiel Paula sagte: "Ich möchte mit dir reden!", verfiel ihr Bruder in eine quäkende Stimme und wiederholte Paulas Satz. Auch wenn Paula nicht direkt mit ihrem Bruder sprach, wiederholte er manche von Paulas Sätzen. Da ihr Bruder sonst ein angesehener und erfolgreicher Geschäftsmann ist, wurde Paula hier zunehmend hilflos. Andererseits kümmerte sich ihr Bruder auch wieder sehr liebevoll um sie, so dass Paula nicht das Gefühl hatte, ihr Bruder sei ihr gegenüber einfach nur boshaft.

2. Teil der Traumdeutung
Paula erzählte also von ihrem Bruder und dann von ihrem Lebensgefährten: auch diese hätten sich ihr gegenüber immer unverschämt oder kalt benommen und hatten ihr vorgeworfen, den Konflikt zu provozieren. Paula war extrem verunsichert, welche Rechte sie hatte. Tatsächlich hatte sich ihr Mann - der Vater ihrer Kinder - wie ein Pascha aufgeführt und ebenso verhielt sich ihr Bruder.
Paula verstand zwar jetzt einen Teil des Traums, fragte sich aber, warum sich der Mann im Auto vor ihr so erschrecken würde. Hier fiel ihr plötzlich auf, dass sie nicht von rechts auf die Autobahn einbog, sondern von links. Die nächste Deutung kam dann von ihr selbst: dass sie von links kam, könnte etwas mit der linken, emotionalen Gehirnhälfte zu tun haben. Sie sei ja so gefühlsbetont. Hier korrigierte ich sie: sie sei nicht gefühlsbetont, sondern habe einfach einen guten Kontakt zu ihren Gefühlen. Tatsächlich fand ich Paula nicht nur sehr reich an Gefühlen: sie konnte eigentlich auch sehr gut mit ihnen umgehen. Warum also war der Mann so erschrocken?
Zuvor hatte Paula schon vermutet, dass die ganzen Busse, die von der Landstraße in den Unfall hineindrängelten, ihre eigenen aufgestauten Gefühle waren. Jetzt legte ich ihr nahe, dass sie von vorne und von hinten, direkt und indirekt von Streit bedroht wäre. Dazu erzählte Paula, dass fast alle ihre Männer sie hinter ihrem Rücken schlecht gemacht hatten, und sogar ihr Bruder würde schlecht über sie reden. Ihr Bruder zum Beispiel behauptete, Paula würde absichtlich die Wohnung verdrecken lassen; etwas, was den Bruder vorher nie gestört hatte (obwohl er eigentlich ganz sauber ist). Paula dagegen hat das Gefühl, dass sie ständig hinter ihrem Bruder herräumt: sie kümmert sich um seine Wäsche, putzt dreimal die Woche das ganze Haus, usw.
Ihr Bruder aber scheint das nicht zu sehen. Wenn er mit ihr streitet, weist er auf die Unordnung hin, wenn er liebevoll zu ihr ist, sagt er ihr, sie sei eine tolle Schwester (er lobt sie also nicht für das Saubermachen).
Paula wunderte sich, dass sie, obwohl sie nie Streit haben wollte und es ihren Männern immer Recht machen wollte, diese so oft zu bösartigen Reaktionen veranlasste. Dass sie durch ihre Duckmäuserei die gewalttätigen Männer oder die aggressionsgehemmten Männer (diese fand sie furchtbar langweilig) anzog, wie ein Licht die Motten, das wollte Paula (noch) nicht sehen.

Paula's Bruder
Ihr Bruder legte im Streit diese seltsame Marotte des Wiederholens an den Tag. Tatsächlich war ihr Bruder ein sehr genauer Mensch, der aber im Alter von 48 noch nie eine feste Freundin hatte. Gegenüber Paula äußerte er sich, dass er eine Geliebte habe. Da er aber fast andauernd arbeitete und sonst zu Hause war, glaubt Paula ihm das nicht.
Paula empfindet diese Wiederholungen ihrer eigenen Sätze als sehr verletzend. Ich deutete diese Sätze als eine Art Mantra. Ihr Bruder würde sie nicht nachäffen, sondern über ihre Sätze meditieren. Wenn ihr Bruder solche Sätze wie "Ich möchte mit dir reden!" oder "Ich fühle mich verletzt!" andauernd und zu den unmöglichsten Gelegenheiten wiederholt, dann, weil er sie "schmecken" möchte, also wissen möchte, wie diese Sätze sich anfühlen.
Paula fand im Gespräch heraus, dass ihr Bruder nur Sätze wiederholt, die etwas mit Beziehung und Partnerschaft zu tun haben.
Ihr Bruder ist einsam und erfolgreich (der einsame Wagen auf der Autobahn). Dann kommt seine Schwester in sein Leben (sie biegt "falsch" ab), er erschrickt und es kommt zu einem andauernden Streit, der die bisherige, nette Beziehung zwischen den beiden vollkommen in Frage stellt (die Massenkarambolage).

Die Kindheit
Paula und ihr Bruder sind in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem sich die Eltern oft geprügelt haben.
Paula erzählte, dass sie ganz bewusst an sich gearbeitet hat, um nicht mehr so aggressiv zu sein. Als ich mit ihr sprach, hatte ich das Gefühl, dass sie hier eigentlich einen sehr guten Weg gegangen war. Sie war klar mit ihren Gefühlen und konnte sich sehr differenziert sehen.
Ihr Bruder hatte die Eltern strikt verleugnet. Beide waren in Heimen aufgewachsen und hatten sich erst spät kennen gelernt (Paula ist elf Jahre jünger). Während Paula ihren Gefühlen nachgegangen ist, bis sie einen guten Kontakt zu ihnen hatte, hat ihr Bruder diese Gefühle und damit auch seine Wut, sein Leid und seine Verzweiflung verdrängt. All die Gefühle, die guten, wie die schlechten, die für unsere Beziehungsfähigkeit so wichtig sind, lebte der Bruder nicht bewusst: sie sprudelten aus ihm heraus, ohne dass er richtig begriff, wie ihm geschah.

3. Teil der Traumdeutung
An dieser Stelle fiel Paula das kleine Mädchen ein, dass auf ihrer Rückbank saß, während sie - im Traum - Auto fuhr. Sie sagte, das sei ihre Tochter oder sie selbst. Sie sagte, sie müsse vorsichtig fahren, damit ihrer Tochter (ihr selbst) nichts passiere.
Ich fragte sie, ob sie denn vorsichtig fahren könne. Ja, sagte sie, sie ist immer eine gute Autofahrerin gewesen. Also müsse sie, sagte ich, nicht vorsichtig fahren, sie könne vorsichtig fahren. Was man sowieso kann, dann müsse sie sich nicht deutlich sagen.
Sie bejahte das und sagte zum ersten Mal im Gespräch, dass sie eigentlich garnicht weiß, warum sie sich selbst immer die Schuld gibt, wenn ihre Beziehungen scheitern. Und eigentlich sei sie sogar eine sehr starke Frau. Sie könne sich doch gut schützen und ihre Tochter habe damit auch keine Probleme. Nur: wer saß dann auf ihrer Rückbank?
Ich schlug vor: "Deine Mutter?"
Hier begann Paula zu weinen. Sie hatte ihre Mutter immer vor ihrem Vater schützen wollen. Aber gleichzeitig fand sie es nur gerecht, wenn ihr Vater ihre Mutter schlug, denn sie - die kleine Paula - ist selbst von ihrer Mutter sehr geschlagen worden.
Ihrer Mutter gegenüber fühlte sich Paula, auch nach dreißig Jahren, schuldig.
Du bist, sagte ich zu ihr, immer vorsichtig gefahren, um deine Mutter zu schützen und trotzdem sind deine Partnerschaften immer in Unfällen und Streit geendet.
Aber warum, fragte Paula, hat sich dieser Mann im Auto so vor mir erschrocken?
Vielleicht hat er dich zu spät erkannt, sagte ich. Hier weinte Paula noch stärker.
Und dann ist er entgleist.

Wohin jetzt?
Nachdem Paula sich beruhigt hatte, fragte ich sie, wie sie mit ihren Aggressionen gearbeitet habe. Sie war ja sehr reflektiert und eine richtige Fachfrau auf diesem Gebiet. Wie ich erwartet hatte, sagte Paula, dass sie sehr viele Bücher darüber gelesen habe.
Und was habe sie noch damit gemacht? fragte ich sie.
Wie? fragte sie zurück. Noch mehr?
Nein, sagte ich, noch etwas anderes?
Noch etwas anderes, als darüber nachzudenken?
Ja, sagte ich.
Aber, entgegnete sie, ich hätte doch gesagt, dass sie das sehr gut gemacht habe: sie hat einen guten Kontakt zu ihren Gefühlen, auch zu den negativen, und könne sich gut in andere Menschen hineindenken.
Außer in aggressive Männer, sagte ich.
Das stimmt. Und Frauen.
Hier schwiegen wir beide. Dann begann Paula wieder leise zu schniefen.
Sie habe, sagte sie, eigentlich ihr ganzes Leben versucht, ihre Eltern zu verstehen und warum sich diese ständig geprügelt haben. Doch jetzt könne sie zwar alle Menschen verstehen, aber gerade die, die sie habe verstehen wollen, die seien ihr fremd geblieben. Sie sei mit ihrer Lebensaufgabe gescheitert.
Ja, lächelte ich, aber auf eine sehr großartige Art und Weise.
An dieser Stelle spürte ich, nicht zum ersten Mal in diesem Gespräch, wie eine Welle wundervoller Energie von ihr ausging. Ja, dachte ich bei mir, diese Frau verdient eigentlich den besten aller Männer und nicht einen dieser huschigen Warmduscher oder dieser aggressiven Idioten.
Was kann ich denn jetzt tun? Werde ich noch einmal im Leben glücklich sein? fragte sie.
Ich wusste die Antwort eigentlich schon, zumindest auf die erste Frage. Paula hatte ihre Aggressionen gegen sich gewandt: ihre eigene Analyse war so etwas wie eine sehr vorsichtige Autoaggression. Sie war vorsichtig dabei und deshalb war die Autoaggression auch gut. Was ihr fehlte, zumindest teilweise fehlte, war eine gute Aggression nach außen.
Was ist eine gute Aggression nach außen? Das eine ist die Neugier und das Lernen, das andere die Kreativität.
Und genau das habe ich ihr dann auch empfohlen.

Paula wollte schon immer schreiben lernen. Das ist ja eins meiner Lieblingsthemen. Also habe ich ihr versprochen, hier ein paar Schreibtipps hineinzustellen und ihr ein Buch zu empfehlen. Schreiben ist schon sehr diszipliniert und wer sich dazu nicht bereit fühlt, sollte auf das Skizzieren oder freie Tanzen zurückgreifen.

Donnerstag, 15. Februar 2007

Rassistisch? - oder nicht?

Heute bin ich dem Fahrrad zu meiner neuen Wohnung gefahren. Als ich an einem Park vorbeikam, warf ein türkischer Jugendlicher einen Knaller nach mir. Ich habe sofort gewendet und ihn ziemlich angeschrieen.
Sagt er zu mir: "Was willsn du, du Rassist?"
Sage ich zu ihm: "Seit wann sind denn Idioten 'ne Rasse?"
Er hat das nicht verstanden. Also habe ich mich noch ein Weilchen mit ihm herumgestritten, bis seine Freunde ihn weggezogen haben.

Wenn ich mir also ansehe, wie viele Türken tagtäglich hart arbeiten, ihre kleine Geschäfte achtzehn Stunden am Tag aufhalten, freundlich und zuvorkommend sind, dann finde ich für andere Türken - allerdings auch für viele Deutschen - nur beschämende Worte.
Eines können wir uns von vielen Türken nämlich wirklich abschauen: diese herzliche Freundlichkeit, die unserer Kultur so oft fehlt.

Übrigens erzählt mir meine Tante öfters von den Türken in der Türkei. Meine Tante ist notorische Türkeibesucherin, reist dort viel herum und kennt sich hervorragend in der Geschichte aus. Manche Türken dort unten glauben, dass die deutsche Türken insgesamt Verbrecher sind (was meine Tante immer wieder verneint). - Seltsam, nicht wahr?

Und wo wir schon dabei sind: Sie kennen doch sicherlich noch das Wort Multikulti. In den letzten Jahren wird es nicht mehr so häufig verwendet. Zu Recht, wie ich finde. Das Wort Multikulti unterstellt, dass viele Kulturen einfach so nebeneinander herleben. Wie falsch diese Vorstellung ist! Als ob es kulturellen Kontakt ohne Mischung gäbe, als ob es Kulturen ohne Mischung gäbe! - Wir schimpfen auf die vielen englischen Wörter? Mag ja sein. Wer aber schimpft auf die französischen Wörter? Nun waren die zweihundert Jahre früher dran. Oder die Japan-Begeisterung seit der Weltausstellung 1878 (glaube ich) in Paris, die indienseelige Limonade eines Hermann Hesses? Irgendwie lehrt uns die Geschichte hier doch etwas, oder? - Mischt sich nicht alles Kulturelle ständig? Und ist nicht alles Kulturelle ein Gemisch?

Nun gut, vielleicht sind Aushänge wie "cheep sale" an 50-Cent-Geschäften übertrieben. "Pilliger Ferkauf" hätte es auch getan. Nicht nur an Apotheken.

Euer Adrian