Kartenlegen und Traumdeutung
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Mittwoch, 9. Mai 2007

Das Orakel der Hexengeister


In letzter Zeit - vor allem, seit ich viel als Kartenleger arbeite - bin ich mit meinem Crowley-Tarot zunehmend unzufrieden geworden. Neulich war ich mit meinem Sohn bei Dussmann, dem "Kulturkaufhaus" an der Friedrichstraße. Bei den Esoterikkarten meinte mein Sohn spontan: "Kauf dir doch das da!" und zeigte auf das Orakel der Hexengeister.

Ich habe mir also Karten und Buch gekauft und bin sehr zufrieden damit.


Neulich rief eine Frau an, wollte sich die Karten auf ihre Liebe legen lassen, und ich deutete ihr aus dem Kartenbild, dass sie einen neuen Mann in der Wapurgisnacht kennen lernen würde - oder so um diese Zeit herum. Die Walpurgisnacht, das Beltane-Fest, lag als Zeitangabe in den Karten. Nun war die Walpurgisnacht, die Nacht zum ersten Mai, am nächsten Abend.

Zwei Tage später rief die Frau an: sie hatte sich, weil ich ihr die Karten gelegt habe, in der Nacht zum ersten Mai auf die Piste begeben (wie man das heute so schön sagt), und prompt jemanden kennen gelernt, sich mit ihm gut verstanden und ihn "abgeschleppt" (nicht meine, sondern ihre Worte).


Natürlich sind die Zeitangaben sehr kritisch zu sehen, aber hier war es doch ein schöner Erfolg.

Unter anderem aber zeigt dieses Beispiel auch, dass die Frau ihren neuen Freund nicht kennen gelernt hat, weil ihr das Schicksal das so vorgegeben hat, sondern weil sie an die Karten, die ich ihr gelegt habe, geglaubt hat. Die Karten haben also eine selbsterfüllende Prophezeiung bewirkt. Und, ich will ja nicht unken, aber meist ist es doch so, dass Karten und Kartenleger genau dies machen und nichts anderes.

Mich jedenfalls haben die Karten zu einer neuen Sensibilität beflügelt.

Adrian

Dienstag, 3. April 2007

Männer?

Geben wir es doch ruhig zu: die meisten Männer sind weinerlich und faul.

Neulich erzählte mir eine Freundin folgendes:
Ein Mann rief bei ihr an. Seine Freundin sei weg. Wann sie zurückkomme?
Die Freundin legt die Karten und sieht sehr rasch, dass die Frau sich hier von einer Angst befreit hat und der Mann sich selbst idealisiert und gerne auch lügt, beziehungsweise einfach die Wirklichkeit wegredet.
Jedenfalls geht sie hart auf seine Probleme zu und entwindet ihm das Geständnis, dass er seine Freundin mehrfach geschlagen habe. - Nun entspinnt sich folgendes Gespräch:
Sie sollten eine Therapie machen! (sagt die Kartenlegerin)
Nein, eine Therapie mache ich nicht. Therapeuten sind gefährlich!, sagt er.
Wieso das denn?, fragt die Kartenlegerin.
Antwortet er: Die verändern einem die Persönlichkeit.
Fragt sie: Würden Sie denn zu einem Therapeuten gehen, wenn er Ihnen die Persönlichkeit nicht verändert?
Sagt er: Ja, wenn's was nützt!

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! muss man da rufen.

Dann gibt es die obligatorischen Erzählungen von seinen Weihnachtsgeschenken für sie: Wäschekörbe, Kochtöpfe, Besen.

Manchmal werden Männer extrem drängelig. Sie wollen auf keinen Fall irgendetwas an sich ändern, sind aber zugleich unsicher, ob sie etwas falsch gemacht haben.
Manche entscheiden sich dafür, dass sie nichts falsch gemacht haben. Die werden bei dem leisesten Anflug von Wahrheit boshaft. Erst neulich hatte ich einen Mann am Telefon, der auch seine Freundin geschlagen hatte. Hier stand dann noch die Schwiegermutter mit im Bild, die ihre Konflikte mit dem Mann ausgetragen hat - und wahrscheinlich dieser mit ihr.
Schließlich ist die Frau aber doch zu ihrer Mutter zurückgekehrt.
Hier hatte die Frau ein Dilemma. Sie ist von einem Gefängnis - ihrer Mutter - in ein anderes Gefängnis - die Ehe mit diesem Mann - geflüchtet. Eine Zeit lang mag der Krieg zwischen ihrem Mann und ihrer Mutter entlastend gewirkt haben. Dann aber wird ihr wahrscheinlich die ganze Situation über den Kopf gewachsen sein. Für die Frau stand als Handlungskarte die "Prinzessin der Schwerter" in den Karten - ihr Ziel: die "Festigung des Flüchtigen", ihr Problem: die Voreiligkeit, die Absicht zur Tat bei einem - noch - planlosen Vorgehen.
Jedenfalls hielt sich der Mann dann bei der Schwiegermutter als der Schuldigen auf, und dass ich ihn auf sein eigenes Fehlverhalten hinwies, hat er einfach unterschlagen. "Diese Sau [damit meinte er die Schwiegermutter] - jetzt weiß ich, woran ich bin." waren seine letzten Worte, bevor er auflegte.

Mein Mitleid für die Männer ist - mittlerweile - sehr begrenzt. Es gab mal dieses Buch "Kleine Helden in Not", das eine Zeit lang sehr berühmt war. Hier geht es um die gute Erziehung der Jungen. - Problematisch wird es nur, wenn man von einem vierzigjährigen Arzt, von einem fünfunddreißigjährigen Lehrer oder von einem sechzigjährigen Lackierer immer noch sagen muss: Kleiner Held in Not. - Denn irgendetwas scheint da gewaltig schief zu laufen!
Oder sieht das irgendjemand anders?

Ich jedenfalls bin verwundert.
Euer
Adrian

Freitag, 23. März 2007

Kartenlegen: Arbeit an der Befreiung

Ota
Im ersten Moment, als ich Ota kennen lernte, war ich überwältigt. Ein Schwall von Worten floss aus ihrem Mund hervor. Sie habe sich jetzt die Tarotkarten gekauft und lege selbst, sie wolle jetzt mal zu einem professionellen Kartenleger gehen und hören, ob sie – Ota – Recht habe.
Ich fragte sie, ob ihr Kartenlegen ihr bisher das Richtige gesagt habe.
Ja, sie würde sich jeden Tag die Karten legen und danach handeln. Sie lege übrigens immer das Keltische Kreuz – ich runzelte die Stirn: jeden Tag das Keltische Kreuz? -, denn ihre Situation sei ja auch sehr verworren und sie sei – hier lachte sie – seit Jahren depressiv. Aber jetzt würde sie Karten legen und das helfe.
Du bist also nicht mehr depressiv?, fragte ich.
Doch, natürlich, das geht ja nicht von einem Tag auf den anderen. Aber heute zum Beispiel lag in ihren Karten, dass sie Kontakt zu einem spirituellen Mann aufnehmen solle, und schon hätte sie mich angerufen.
Welche Karte ihr denn gesagt habe, dass sie einen Mann anrufen solle?
Der Magier, sagte sie, und fügte hinzu: In der achten Position. (Die achte Position beim keltischen Kreuz ist die Umfeld-/Umwelt-Karte: "So sehen es die anderen.")

Ota war kaum zu bremsen. Sie deutete die Karten wild drauf los. Sehr rasch wurde mir klar, dass Ota nicht nur die Karten einzeln deutete, ohne Verbindung zu den anderen Karten, sondern dass sie auch erwartete, dass alles so, ohne ihr eigenes Zutun, eintreffen würde. Lag auf der zehnten Position (im keltischen Kreuz: Dahin führt es) eine gute Karte, war sie den ganzen Tag voller Hoffnung; lag auf der zehnten Position eine schlechte Karte, war sie den ganzen Tag über bedrückt. Ota nutzte die Karten nicht dazu, sich über ihre eigene Lage klar zu werden und neue, kreative Impulse für ihre Handlungen zu bekommen. Sie bastelte sich mit den Karten ein Korsett, in das sie ihre Gefühle einzwängte.

Ota's Geschichte
Ota war zu dem Zeitpunkt, als ich sie kennen lernte, 43 Jahre alt – etwa zwölf Jahre älter als ich. Mit 28 heiratete sie einen Mann, der geschäftlich viel unterwegs sein musste und sie darüber vernachlässigte. Die Ehe war kinderlos geblieben. Ota, die in ihrem Leben nie eine Lehre gemacht hatte, blieb zuhause und beschäftigte sich mit irgendetwas. Nach elf Jahren Ehe kauften sie ein Haus, im dreizehnten Jahr der Ehe wurde Ota depressiv. Ein Arzt verschrieb ihr Pillen dagegen. Zu einem Psychotherapeuten hatte sie es nie geschafft.

Ich war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite schaffte sich Ota mit ihren Karten ein kleines Alltagsritual. Solche Alltagsrituale sind gerade für zu depressiven Verstimmungen neigenden Menschen sehr wichtig. Auf der anderen Seite macht Ota sich so sehr von den Karten abhängig, dass sie sich eigentlich immer weiter in einen depressiven Charakter hinein "grub".
Sie hatte keine Hobbies, außer Fernsehsehen und Kartenlegen und verschiedenen Heftchenromanen, die sie regelmäßig las (solche, mit halbnackten, wild-eleganten Männern und luxuriös-üppigen Frauen auf dem Titel). Sie hatte keine Freunde. Die Beziehung zu ihrer eigenen Familie war extrem unterkühlt.

Die Karten
Ich unterbrach Ota, weil sie einfach weiter redete und redete.
Daraufhin zeigte Ota ein ganz anderes Gesicht: Sie würde mich bezahlen, also müsste ich auch ...
Irrtum, entgegnete ich. Ich werde für das Kartenlegen bezahlt und nur nebenbei für das Zuhören.
Na, sagte sie pikiert, dann leg' mir mal die Karten.

Auch ich benutze gerne das Keltische Kreuz. Bei Ota hatte ich den Impuls, eine andere Legeweise zu nutzen. Auf der einen Seite hatte ich Angst, dass sie mir ständig die Deutungen – in ihrer Weise – vorgibt, auf der anderen Seite dachte ich mir, dass ich hier ganz gut einen Dialog herstellen könnte. Letztendlich entschied ich mich für das Keltische Kreuz.

Die Kombination war folgende:
1. "Das Universum" - umgedreht
2. "Prinz der Stäbe"
3. "Der Stern" - umgedreht
4. "Zehn Scheiben" - umgedreht
5. "Ausgleichung"
6. "König der Stäbe"
7. "Zehn Kelche" - umgedreht
8. "Königin der Scheiben" - umgedreht
9. "Tod"
10. "Glück" – umgedreht

Bei der ersten Karte sagte Ota: "Hier kommt ein guter Weg ins Stocken. Ein Hindernis baut sich auf." und zur achten Karte sagte sie: "Die Umwelt nimmt mir meine Unabhängigkeit, weil (!) ich auf viel verzichte."

Ich schlug Ota nun folgende Deutung vor:

Überforderung als Grundsituation
Das Universum zeigt auf, dass es um Verstrickungen geht, aus denen man sich befreien muss und die einen bisher an der Vollendung gehindert haben. In der umgedrehten Lage weist die Karte auf den Stillstand hin, auch auf eine Überforderung. – Häufig wird die Karte als das Erreichen eines besonders erstrebenswerten Ziels gedeutet, als Vollendung eben, aber als starre Vollendung, als eine Art Besitz. Es gibt auch Situationen, da stimmt das so. Weit häufiger aber deutet die Karte auf ein harmonisches Sich-Einfügen in die Umwelt hin, also auf einen "vollendeten" Prozess.
Ota selbst war erstarrt. Und man hätte nicht in die Karten schauen müssen, um zu wissen, dass sie sich selbst hier dringend ändern sollte.

Ungeduld als Einfluss
Otas Ungeduld war augenscheinlich. Wie geht es weiter? stand hinter allen ihren Fragen. Worauf kann ich ganz fest bauen? Was überhaupt ist sicher in meinem Leben?
Ota war gefesselt, vor allem durch ihre unglaubliche Unsicherheit. Ihr kalter und abwesender Mann, ihre fehlenden sozialen Kontakte, ihr Unwissen darüber, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte – all dies hielt sie in ihrer momentanen Situation gefangen.

Der Prinz der Stäbe lag hier als Einflusskarte über der Grundkarte. Den Prinz der Stäbe bezeichnen Akron und Hajo Banzhaf auch als "Sohn der Willenskraft". Er steht für die Aktivität, den Übermut und den Erlebnishunger, im Negativen für Unruhe, Ungeduld und Destruktivität.
Sehr wichtig ist bei dieser Karte übrigens, dass sie kein Ziel bezeichnet, sondern die Art und Weise, also eine Qualität oder einen Charakterzug.

Ota fragte schon zu Beginn unseres Gesprächs, wann sich denn endlich mal etwas ändern würde. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie stecken geblieben war. Statt aber hier sich auf den Weg zu machen, starrte sie auf ein Ideal. Sie wollte sich erst sicher sein, dass sie dieses Ideal erreichen würde und dann sollte es auch schnell kommen. Im Grunde aber würde sie damit nichts ändern: ihr jetziger Zustand war passiv. Hätte sie das Ideal erreicht, wäre sie wieder zum Stillstand verdammt – denn wer verlässt schon den idealen Zustand?

Also deutete ich die Karte so: Der Prinz der Stäbe warnt dich vor zu viel Ungeduld, denn damit zerstörst du dich nach und nach selbst. Du hast deine aktive Kraft gegen dich selbst gerichtet. Hier in diesem Kartenbild geht es darum, diesen aktiven Drang nach außen zu wenden, zu deinem eigenen Wohl und zum Wohl anderer.

Die richtige Idee, heillos übertrieben: Harmonie und Struktur
Auf der 5. Position (Das hat dahin geführt) lag die Ausgleichung, eine der großen Arkanen. Die Ausgleichung steht für Erkenntniswille und Harmoniefinden durch Bewältigung der Wirklichkeit. Hier wurde ich unsicher. Denn die 5. Position zeigt an, was zu der derzeitigen Position geführt hat, und man konnte nun wirklich nicht behaupten, dass Ota ihre Wirklichkeit so bewältigte, dass sie Harmonie fand.
Trotzdem deutete ich die Karte so: Ota sei zu sehr auf ein Gleichgewicht aus gewesen. Sie wollte so sehr Harmonie, dass sie nicht gemerkt habe, wie alles zum Stillstand kam.
Na, sagte Ota an dieser Stelle entrüstet, so ein Familienleben wie früher wolle sie auch nie wieder haben.

Hier erzählte Ota von ihren chaotischen Familienverhältnissen. Die Mutter hatte fünf Kinder von drei verschiedenen "Freunden", der Vater, ein kleiner Büroangestellter, sei hilflos und schweigsam durch das Familienleben hindurchgeschlichen und sehr rasch gestorben, nachdem er in Rente gegangen war. Ota's Mutter lebte noch und sei mit ihren 77 Jahren eine immer noch sehr herrische und abwertende Frau.
Natürlich wurde hier deutlich, was Ota sich immer wünschte: ein ruhiges und geordnetes Familienleben. Was sie bekam, war eine Ehe, in der sie mit sich selbst alleine war und einen Ehemann, der wie ihr Vater eigentlich nicht existierte.
In der Art, wie Ota ihre Mutter schilderte, erkannte ich Ota wieder.
Ota hatte alles übertrieben und wurde mehr und mehr so, wie sie überhaupt nicht sein wollte: wie ihre eigene Mutter. Sie hatte sich Harmonie gewünscht, pendelte stattdessen aber zwischen Kontrolle und Kontrollverlust.

Der große Umbruch – Angst und Hoffnung
In der 9. Position (Das erwartet oder befürchtet der Frager) lag der Tod. Der Tod steht im Tarot für die tiefgreifende Transformation. Im Positiven bedeutet er, dass man Platz für Neues schafft, im Negativen die Todesangst.
Ota spürte beides. Irgendwo wusste sie, dass sie ihr Leben radikal ändern musste, aber sie hatte auch größte Angst davor. Veränderung hieß für sie Chaos – so hatte sie es gelernt.

Hier wurde auch Ota's Trick deutlich, mit dem sie sich blockierte. Ota wünschte sich ein ideales Leben. Sie hatte eigentlich einen ungebändigten Drang nach Schönheit, Anmut, Eleganz und tiefer Weisheit. Indem sie dieses Leben aber zu einem Ideal erhob, umging sie alle Lebensstationen, die dazwischen lagen: sie leugnete die vielen kleinen Schritte, die dazu notwendig waren. Sie leugnete vor allem den Umbruch, der ihr solche Angst machte. Ihr heimlicher Fahrplan hieß: Veränderung ohne Veränderung.

Illusionen
Die 3. und 4. Karte zeigen auf den Charakter des Fragenden. In der 3. Position geht es um das bewusste Erkennen, in der 4. Position um das Erspüren, um emotionale Notwendigkeiten oder notwendige "Lebensatmosphären".
Ota deutete den Stern, der auf der 3. Position umgekehrt lag, als "Talente und Hoffnungen werden zerstört. Schlechte emotionale und geistige Gesundheit". Falsch ist das nicht, widerspricht aber der Position selbst.
Ota erkennt dies inhaltlich, so sagt es die Position. Und indem Ota die Karte interpretiert, erkennt sie natürlich, was der Inhalt der Karte bedeutet. In Wirklichkeit spielt hier aber die Position der Karte eine große Rolle: Was Ota erkennt, kann durchaus eine Illusion sein. Dass Ota hier glaubt, dass ihre eigenen Talente und Hoffnungen zerstört werden, zeigt auf die negative Bedeutung des Sterns: Leugnung der Wahrheit, Illusion. Ota weiß nämlich nicht mehr, was sie alles kann. Sie probiert so wenig aus, bleibt in ihrem täglichen Einerlei so starr stecken, dass sie auch nie erfährt, wo ihre Entwicklungschancen liegen. "Wenn ihm nie etwas passiert, dann passiert ihm ja nie was.", sagt der Fisch Dori im Pixar-Film "Findet Nemo". Genau so.

Der Stern zeigt auch eine Richtlinie auf: die Hingabe an den Augenblick. – Bei Ota ist dies mehr als sinnvoll. Sie erstarrt vor dem Ideal, weicht der Veränderung aus und verliert sich so selbst.

Die 4. Karte – die zehn Scheiben – lag in umgedrehter Position. Ota – sie unterbrach mich nur noch dieses Mal in meiner Deutung – deutete diese so: "Das gute Bild (!) des Ratsuchenden ist in Gefahr. Alle Risiken sollten vermieden werden." Das war ersten hübsch auswendig gelernt, zweitens passte es aber auch so gut in ihre Erstarrung hinein.
Ich sagte zu Ota, dass sie doch bitte mir das Deuten überlassen sollte. Hier, so sagte ich ihr, geht es nicht darum, jede Karte nach und nach durchzuplappern, wie es im Buch steht, sondern das Zusammenspiel der Karten im Auge zu behalten. – Dies ist, nebenbei bemerkt, ein häufiger Fehler von Kartenlegern, Anfängern wie Professionellen. Die Karten geben hier zwar Tendenzen vor, aber der Leim, der diese zusammenbringt, ist die psychologisch fundierte Deutung. Kartenlegen hat viel weniger mit orakelhaften Sprüchen als mit einem feinen psychologischen Gespür zu tun.
Meine Deutung der Karte war also folgende: Du lebst zwar in gesicherten materiellen Verhältnissen, aber die Angst vor der Veränderung hat dich habgierig gemacht. Du klammerst dich sinnlos an sinnlosen Besitz. Irgendwie weist du, dass du durch eine arme und düstere Zeit hindurch musst, aber du willst es nicht.

Seelenzergliederung – Kreativität
Die 7. und 8. Position, die eigene Sicht der Situation und die Sicht anderer Menschen, weisen häufig auf zentrale Konflikte hin. Zudem ermöglicht es die 7. Position, hier die Schwächen und Fehler des Fragenden behutsam aufzudecken, und ihn dann mit dem Bild, das andere von ihm haben, zu konfrontieren. Natürlich sollte man sich hier als Kartenleger auch im Klaren sein, was man dem Fragenden zumuten kann und was die Zukunftskarten (6. und 10. Karte) vorschlagen.
Man kann hier auch bereits genannte Konflikte beiseite lassen oder anders wieder aufgreifen.

Zur 7. Karte – die Zehn Kelche – ziehen sich nun zahlreiche Verbindungen zu den anderen Karten. Die Zehn Kelche heißen im Crowley-Tarot "Sattheit". Banzhaf und Akron nennen sie auch "Die Wasser der Vollendung und der inneren Erfüllung".
Da sich die ganze Situation um die Vollendung (Universum auf der 1. Position) drehte, um das Überwinden verworrener und ohnmächtiger Lebenssituationen (die Kindheit Ota's – Die Ausgleichung auf der 5. Position), um die Hingabe (Stern) und das Anerkennen von Grenzen (negativer Reichtum), zeigte die ganze Tendenz der Karten – bisher – auf die Analyse der Vergangenheit und die kreative Arbeit an der eigenen Zukunft.
Zudem zeigt ihr emotionales Verhaftetsein im Besitz (negativer Reichtum auf der 4. Position) und ihre Fähigkeit zur Illusion (negativer Stern auf der 3. Position) auch die Möglichkeit an, dies ins Positive zu drehen: die erdgebundene, klare und soziale Kreativität.
Zunächst aber verwies die Karte "Zehn Kelche" noch einmal auf Ota's Schatten: die innere und selbstzerstörerische Leere, die Ota spürte, während die Königin der Scheiben die Außenwelt und deren Blick auf Ota zeigten – auch hier in der negativen Form: Verbitterung, Verhärtung, Unfruchtbarkeit.

Ota's Innensicht und der Blick, mit der die Umwelt ihr begegneten, passten hier perfekt zueinander. Tatsächlich erzählte Ota hier zwei Anekdoten: in der einen bezeichnete ein Junge sie als "Hexe". Sie war darüber sehr erschrocken und mied die Blicke anderer Menschen noch mehr als sonst.
Ota hatte schon vor langer Zeit zunächst den Blick nach innen gewendet: sie selbst sei nicht in Ordnung, sie selbst habe an allem Schuld. Sie hatte die Sprüche ihrer Mutter und ihrer wechselnden Freunde, ihrer Klassenkameraden, als sie klein war und ihrer ersten Freunde, als sie größer war (und sie verließen), - sie hatte all diese Sprüche perfekt und ohne zu zweifeln verinnerlicht. Ernst Bloch beginnt sein Buch "Tübinger Einleitung in die Philosophie" mit den Sätzen "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst." Blochs Philosophie ist eine Philosophie des kritischen und kreativen Tätigseins. Ota's Umgebung lieferte nun die Philosophie der destruktiven Kontrolle. Hätte ihre Mutter eine Einleitung in die Philosophie geschrieben, könnte sie diese so beginnen: "Ich bin. Aber du hast dich nicht. Darum kann ich mit dir machen, was ich will."
Ota hatte also lange eine unfruchtbare Seelenzergliederung betrieben, dabei aber das kritische und kreative Handeln vergessen. Obwohl also die Karten auch die Analyse der Vergangenheit empfahlen, empfand ich hier die fehlende Kreativität als so übermächtig, dass ich dieser eindeutig den Vorrang gab.
Selbstbefreiung durch kreatives Handeln – so lautete hier die ganze Tendenz des Kartenbildes.

Einswerden mit den inneren Bildern
Die 6. Position, die nahe Zukunft, zeigte den Ritter der Stäbe, den Vater der schöpferischen Vorstellungskraft. Er liegt im Positiven da und bildet einen deutlichen Bezug zur negativ liegenden Königin der Scheiben und den zehn Kelchen. Beim Ritter der Stäbe ist alles Dynamik, wo die Königin der Scheiben Erstarrung und die zehn Kelche Leere anzeigten.
Der Rat, den der Ritter der Stäbe gibt, ist seltsam, vor allem in Otas Fall: Einswerden mit den inneren Bildern.
Der Rat ist aber sinnvoll. Ota hat die Meinungen anderer nie gelassen akzeptiert. Statt weiterzugehen ist sie stehen geblieben und hat auf den günstigen Moment gewartet, in dem sie beweisen konnte, dass sie doch etwas Wert sei. Sie dachte, wenn sie ihren Wert zeigt, werden die anderen ihre Meinung ändern. Aber natürlich kam dieser Moment nie.
Auf der anderen Seite aber machte Ota recht früh Erfahrungen mit der destruktiven Aggression. Aggression an sich war schändlich, glaubte sie. Und so versagte Ota sich aggressive Handlungen, aber auch alles, was damit zusammenhängt: das Lernen, die Kreativität, die innere und die äußere Reise – letztendlich sogar die Liebe.
Natürlich war Ota auch aggressiv. Aber das verstand sie nicht. Sie wollte es nicht sehen.

Ich gab ihr also den Auftrag der Karten weiter, diese destruktiven Bilder nicht von außen zu bekämpfen, sondern sie von innen heraus zu sprengen. Sie sollte das "Wesen" dieser Zerstörungskraft von innen heraus erfahren. Dazu empfahl ich ihr, sich in eines dieser Bilder hineinzuversetzen und von diesem Bild – der Mutter, einem ihrer Freunde, oder auch nur der bleiernen Leere – her einen Brief an Ota zu schreiben. Ota sollte destruktiv gegenüber Ota sein, zumindest auf dem Papier. In der Realität beherrschte sie das ja schon hervorragend.
Außerdem empfahl ich ihr beim Fernsehsehen zu kritzeln. Wenn sie mal ein Gesicht oder ein Tier darin entdeckte, sollte sie dieses durch dickere Linien betonen. Ansonsten sollte sie einfach weiterkritzeln.

Der erste Auftrag spiegelte natürlich Otas Situation wieder. Diese Situation versuchte Ota aber bisher rein gedanklich zu lösen und deshalb drehte sie sich im Kreis. Das Zu-Papier-bringen im Brief verdeutlichte nicht nur diese Situation, sondern ermöglichte Ota auch ein erstes, kreatives Handeln. Zudem konnte sie, indem sie sich mit den destruktiven und aggressiven Impulsen identifizierte, so hoffte ich, ihre eigene Lust an der Aggression wiederentdecken.
Die Kritzeleien sind eine andere schöne Form einer flüchtigen und zwanglosen Kreativität. Man muss eben nichts Endgültiges herstellen, sondern fängt diese Kritzelfiguren "im Fluge" ein, das heißt, wie sie eben kommen. Zudem ist freies Malen immer auch eine Schulung des Auges - nicht in der gleichen Form, wie wenn man Portraitzeichnen macht, sondern kreativer und subjektiver.

Warnung vor schnellen "Erfolgen"
Die letzte Karte, das Glück, deutete ich hier, da sie umgedreht lag, als Warnung, auf zu schnelle Erfolge zu hoffen. Sie habe, so sagte ich zu Ota, viel Arbeit vor sich. Ota akzeptierte diese Deutung widerspruchslos, obwohl sie zu Beginn der Deutung gleich rief: Oje, das bedeutet einen Rückfall.

Fazit
Das Kartenbild, dass ich für Ota gelegt habe, zeigte sehr deutlich auf die Veränderungen hin, die uns ein Leben lang begleiten, und denen wir nicht ausweichen dürfen. Die Vollendung, die in der Ausgangssituation steht, wendet sich hier gerade gegen das Ideal als starres Bild, und setzt den Prozess als die andere Möglichkeit, sich zu vollenden, hin.
Die Welt ist im Wandel. Wir begleiten sie ein Stück.

Schluss
Ich bin mit Ota schon im ersten Gespräch sehr direkt und konfrontativ umgegangen. Dass muss nicht immer richtig sein. Manchmal kann es sogar ziemlich schaden. Hier ist die Sensibilität des Kartenlegers sehr gefragt. Trotzdem muss jeder Kartenleger immer auch auf die Mitarbeit und das Weiterarbeiten des Ratsuchenden drängen. Kartenlegen ist kein Konsumartikel – ein Fehler, auf den Ota bei ihren eigenen Kartendeutungen hereinfiel.

Tatsächlich tat Ota sich nicht so leicht, ihr eigenes Leben wieder auf richtige Bahnen zu bringen. Wunder und Wunderheilungen sind eine Illusion und Versprechen dazu recht inhaltsleer. Ich hatte mit Ota über drei Jahre noch mehrmals zu tun. In dieser Zeit ist sie mir sehr ans Herz gewachsen.
Trotzdem war ich froh, als Ota erzählte, sie habe sich endlich eine Therapeutin gesucht.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen hier zeigen, wie stark die Konstellation beachtet werden muss, und wie stark diese auch mit dem Leben verknüpft werden muss. Einzelne Karten für sich bedeuten eigentlich fast gar nichts. Sie haben zu wenig Halt in der Wirklichkeit und die Gefahr einer falschen Deutung ist zu groß.

Liebe Grüße,
Adrian

Freitag, 16. März 2007

Lilith - noch einmal ...

Lilith befasst sich immer wieder auch mit den Auswüchsen des Astrogeschäftes. Sehr lesenswert übrigens.
Hier ihr neuester Artikel: Kartenlegen und die Kripo. Und hier ein sehr lesenswerter zu einem ähnlichen Thema vom letzten Jahr: Üble Tricks der Zukunftsdeuter. Wirklich?

Nicht nur inhaltlich ist Lilith äußerst erhellend. So schreiben müsste man können, wie Lilith es kann.

Adrian

Dienstag, 13. März 2007

Kartenlegen / Traumdeutung: Dünne Böden und feurige Seelen

Wie schwierig manche Traumsymbole zu fassen sind, möchte ich hier am Beispiel von Werner erzählen.
Ein wesentliches Element in einem der Träume von Werner war das Feuer.
Dazu findet man (als Beispiel) folgende Deutungsmöglichkeiten im Online-Lexikon für Traumdeutung:

Feuer ist in Männerträumen ein stark erotisches Symbol, das Feuer der Leidenschaft.
Freude beim Anblick des Feuers ist ein Zeichen der absoluten Hingabe.
Steht die Hitze des Feuers mehr im Vordergrund, so nehmen Sie starke Gefühle eines Menschen wahr.
Zünden Sie ein Feuer an, gehen Sie eine neue, erotische Beziehung ein.
Vorsicht, wenn ein Haus brennt oder wenn Sie ein Feuer im Ofen löschen, es zeigt eine beginnende Krankheit an, denn das Haus ist immer mit dem Träumer gleichzusetzen.
Feuer und Wasser symbolisieren stets seelische Energie: Feuer reinigt.
Helle Flammen kündigen eine neue Idee an.

Wir werden gleich sehen, dass zumindest einige dieser Deutungen nicht falsch sind, aber ungenau. Wie immer muss man den Traum gut im Leben des Träumers verankern. Allzuoft leistet sich eine Traumdeutung hier nur das Übersetzen der Symbole in ihren lexikalischen Gehalt. Subjektive Bedeutungen lässt die Traumdeutung dabei außer Acht.

Kartenlegen: Das keltische Kreuz
Zunächst aber wollte Werner, als wir das erste Mal miteinander sprachen, die Tarot-Karten gelegt haben. Werner war in zweifacher Weise misstrauisch.
Zum einen glaubte er an den ganzen Kartenzauber nicht. Alles Unfug, sagte er gleich zweimal zu Beginn des Gesprächs. Kartenlegen lasse er sich nur aus Neugierde.
Zum anderen behauptete Werner, ich könne ihm sowieso nicht helfen, und überhaupt könne das niemand, dazu müsse man diesen ganzen Feminismus abschaffen. Seitdem würden die Frauen doch nur noch herumlaufen wie kopflose Hühner.

Ich legte für Werner das keltische Kreuz. (Beim Kartenlegen benutze ich seit zwanzig Jahren das Crowley-Tarot.)
Die ersten vier Karten zeigten Folgendes:
  1. Acht Schwerter (Einmischung) - (darum geht es)
  2. Prinzessin der Scheiben - (das kommt hinzu)
  3. Die Lust - (das wird erkannt)
  4. Königin der Schwerter - (das wird gespürt)
Die Grundsituation
Im Gespräch präsentierte sich Werner als sehr stur. Er ließ nichts an sich heran und zweifelte an allem. Sein Weltbild erschien ihm sehr klar aufgeteilt in Freunde (hatte er keine) und Feinde (alle anderen, vor allem aber Frauen, darunter besonders die Feministinnen und von diesen vor allem seine Ex-Freundinnen).
Werner hatte mich, bevor ich einen Satz sagen konnte, massiv hinterfragt. Zudem war sein Weltbild sowieso durch harte Frontlinien und Grabenkämpfe eingeteilt. Deshalb beschloss ich, ihn frontal mit der Deutung zu konfrontieren.
Dein Weltbild ist verworren, sagte ich ihm, du blockierst dich selbst und bist zu bequem, daran zu arbeiten.
Daran seien nur die Frauen Schuld, sagte Werner. Und höhnte weiter: wenn das nicht in deinen Karten drin steht, dann kannst du den Rest auch nicht sehen.
Darauf hin patzte ich zurück: Wenn er Gesäusel haben wolle, solle er doch bitte nicht bei einem Kartenleger und Wahrsager anrufen. "Ich lege dir die Karten, aber ich werde dir nicht in den Arsch kriechen."
Obwohl ich Werner deutlich angegriffen hatte, legte er nicht auf.

Die dritte Karte, die Lust, lag verkehrt herum: Werners Leben war - wen wundert es? - von depressiven Phasen durchzogen. Er verdiente gut, fühlte sich aber innerlich leer. Sein Leben kam ihm wie eine Wüste vor.
Die Königin der Schwerter zeigte auf den Freiheitsdrang hin, den er innerlich verspürte.
Zur dritten Karte bemerkte Werner: Das hätte ich mir auch selbst sagen können.
Und bei der vierten Karte wurde er wütend: Wissen Sie überhaupt, in was für einer Gesellschaft wir leben? Da kann man nicht einfach frei sein. - Außer diese Frauen natürlich, die haben sich immer alles erlaubt.

Und, krieg ich jetzt eine Frau, oder was? fragte er.
Da ich sowohl in der Einflusskarte (Position 2 - die Prinzessin der Scheiben) als auch in anderen Karten eine ganz gegenteilige Tendenz unter dem harten, abweisenden Werner sah: nämlich den sinnlichen Werner, der in der Lage war, warmherzig und seelenvoll zu sein, und da tatsächlich auch eine Frau in seiner Zukunft lag - wenn auch eine freiheitsliebende -, sagte ich ihm, dass er wieder eine Frau kennen lernen werde. Mit dieser könne er aber nur eine Beziehung führen, wenn er von seinem Kriegszustand ablasse und sich mit seiner Umwelt liebevoller und kreativer auseinandersetze.
Ach, muss ich schon wieder was für die Frau tun? schrie Werner ins Telefon und diesmal legte er wirklich auf.
Angegriffen zu werden schien Werner nichts auszumachen, aber sich für jemanden zu verändern schon.

Träume von dünnen Böden und feurigen Seelen
Ich dachte schon, Werner riefe nie wieder an.
Doch schon am nächsten Tag führte ich ein zweites Gespräch mit ihm und diesmal klang er ganz anders. Diesmal ging es auch nicht um Kartenlegen und seine Zukunft, sondern er wollte einen Traum gedeutet haben. Diesen hatte er in der Nacht zuvor dreimal geträumt, zweimal mit genau demselben Trauminhalt, beim dritten Mal mit einem etwas anderen Ende. Dreimal war er jedoch mit panischer Angst aufgewacht (das erzählte er mir allerdings erst später).

Traum 1 und 2
Werner steigt eine Treppe hoch und steht plötzlich mitten in einem idyllischen Obstgarten. Irgendwo in der Ferne rauscht ein riesiger Wasserfall. Werner denkt "eisig" - er meint damit den Wasserfall -, und wundert sich, dass der Regenbogen darüber wie ein farbloses Broschenmuster aussieht.
Werner geht weiter. Er empfindet das Gehen als seltsam. Er hat unheimliche Angst, weiß aber nicht, wieso. Die Bäume hängen voller Früchte, ganz wild durcheinander. Er sieht Bananen, Äpfel und Melonen dicht nebeneinander hängen. Dann spürt Werner plötzlich einen Hilferuf. Werner sagte tatsächlich "spürt" - ich habe hier nachgefragt -, und nicht "hört". Er geht diesem nach und kommt an ein Loch im Boden. Dort sieht er einen Mann an den Fäden eines ausgefransten Netzes hängen. Der Boden, auf dem die Obstplantage steht, ist nämlich sehr dünn, und ruht auf einem dichtmaschigen Netz. Darunter geht es meilenweit in die Tiefe. Das einzige, was Werner noch erkennen kann, ist, dass dieses Netz wohl zwischen zwei Wolkenkratzern hängen muss.
Jetzt versteht Werner auch, warum das Gehen sich so komisch angefühlt hatte: er stand die ganze Zeit auf schwankendem Boden.
Der Mann bittet Werner noch einmal um Hilfe. Werner versucht den Arm des Mannes zu packen. Dabei rutscht er ab und fällt selbst durch das Loch. Er fällt und fällt. Plötzlich sieht Werner einen flammenden Menschen auf sich zurasen. (Wer hier an die ganzen Verfilmungen von Marvel-Comics denkt, hat natürlich recht - damals lief gerade der erste Teil von Spider-Man in den Kinos und Werner hatte seine ganzen alten Comicheftchen wieder ausgepackt und seine Sammlung um neuere Comics ergänzt.)
Der Fackelmensch packt Werner am Arm. Er stoppt zwar den tödlichen Fall von Werner, dafür aber verbrennt Werner jetzt und rieselt als Asche zu Boden.

Mit diesem eher "idyllischen" Bild endete der Traum: Werner wachte hier auf und verspürte übermächtige Angst.

Traumdeutung Teil 1: Schwankende Böden
Zunächst ist deutlich, dass der Traum eine Mischung aus idyllischen Elementen und Schreckensvisionen ist, wobei die Schreckensvisionen deutlich keine Monster zeigen. Außer dem namenlosen Mann und dem Fackelmenschen tauchen keine anderen belebten Wesen auf. Zu dem Fackelmenschen komme ich später.

Hier ist mir erstmal wichtig, dass der Traum sehr deutlich die seelische Verfassung von Werner anzeigt: unter einer dünnen, blühenden und Früchte tragenden Schicht befindet sich eine bodenlose Leere und eine seelenlose (und vielleicht auch unbelebte) Stadt.
Einige der Traumelemente sind Kulturgut: so ist die Treppe, die in den Garten führt, ein Aufstieg in eine wahrhaftigere Situation - der Traum spricht, im Gegensatz zu Werners eigener, bewusster Beurteilung, die Wahrheit aus.

Zwischenbemerkung zu Traumhelfern
Die seelische Verfassung wird durch zwei Traumhelfer markiert - in der Psychoanalyse spricht man gerne auch von Hilfs-Ichs.
Traumhelfer werden oft mit liebevollen Wesen gleichgesetzt, Engeln, freundlichen Reittieren, Menschen, die dem Traum-Ich heilende Nahrung geben, und so weiter.

Ganz so einfach ist das allerdings nicht.
Traumhelfer sind nicht - wie das häufig behauptet wird - dem Angenehmen verpflichtet. Traumhelfer stehen zwar im Dienste eines gelassenen und weisen Lebens, aber auf dem Weg dorthin können sie teilweise sehr boshafte, aggressive oder befremdliche Züge annehmen.
Wenn der Weg unserer Erkenntnis ein schmerzhafter Weg ist, dann kann der Traumhelfer durchaus jemand sein, der uns auf diesen Weg treibt, oder sogar jemand, der uns Schmerzen zufügt. - Der Fackelmensch - das werden wir gleich sehen - ist ein solcher zwiespältiger Traumhelfer, und das Böse wird uns unter einer recht harmlosen Maske begegnen.

Traumdeutung - Fortsetzung
Der erste Traumhelfer ist der namen- und gesichtslose Mann. Er zeigt die Angst, die Werner sich verbietet, und indem der Mann diese Angst zeigt, muss Werner sie nicht selbst verspüren. Im Gegenteil: an dieser Stelle wird Werner - zumindest sein Traum-Ich - selbst zum Helfer: er beugt sich herab und versucht den Arm des Mannes zu ergreifen.
Dieser Traumhelfer hat also eine dreifache Funktion: er entlastet Werner von seinen verdrängten Gefühlen; zugleich aber erlaubt er sich offen diese Gefühle und deutet damit auf die Wahrheit hin; zum Dritten aber ermöglicht gerade die Hilflosigkeit des Traumhelfers, dass Werner sich - im Traum - in einer Rolle erlebt, die er von sich eigentlich nicht mehr kennt: Werner hilft (und zugleich sagt der Traum natürlich: Hilf dir selbst!).

Dass Werner bei seiner Hilfsaktion abstürzt, wird von Werner zunächst negativ gesehen.
Das kommt davon, so sagt er, wenn man anderen hilft. (An dieser Stelle sieht er noch nicht, dass der andere Mann eigentlich er selbst ist.)

Der Absturz hat hier allerdings auch noch eine andere Bedeutung: er ist eine Reise in das Innere, in den Gefühlshaushalt der Seele. Dieser Gefühlshaushalt ist bei Werner nicht nur bildlich zubetoniert (die Großstadt).

An dieser Stelle merkt Werner auch, dass er zerschellen würde, wenn er eine echte Reise in seine Seele machen würde. Stattdessen "zerschellen" immer seine Beziehungen.
Werner nahm diese Deutung übrigens sehr positiv auf. Oder - was heißt hier positiv? - mit spürbarer Verunsicherung, aber auch Erleichterung. (Was in seinem Fall schon positiv zu werten war.)
Meinst du?, fragte er mich.
Später erzählte er, dass ihm das sehr viel Unbehagen bereitet hat, dieses leere und verwüstete Ich zu sehen. Auf der anderen Seite hatte Werner aber auch genauso viel Angst davor, dass der Traum etwas anderes bedeuten könnte. Er wusste hier nie genau, was er noch bedeuten könnte, aber irgendwie spürte er, dass es etwas viel schlimmeres sein könnte, als eine leere Seele zu haben: um die konnte man sich kümmern.

Aber all dies geschah erst im Laufe unseres Gesprächs.
Zunächst kam hier noch der dritte Traum dazwischen, dessen Ausgang Werner sehr rätselhaft, ja grauenvoll erschien.

Traum 3
Wie gesagt war Werner schon zweimal mit panischer Angst aus demselben Traum aufgewacht. Als er das dritte Mal diesen Traum träumte, erwies sich Werner auf eine seltsame Art und Weise als witzig.
Bis zu dem Punkt, an dem Werner von dem Fackelmenschen erfasst wurde, glich der dritte Traum den beiden anderen Träumen.
Jetzt aber holte Werner eine Plastikflasche hervor, von der Art dieser Plastikflaschen, die man Blumenzerstäuber nennt und mit denen man die Pflanzen einsprüht. Irgendwie wusste er auch, dass das Wasser im Blumenzerstäuber von dem Wasserfall kam. Damit besprühte Werner die Fackel. Das Feuer erlosch, der brennende Mensch zerpuffte zu Asche und - Werner fiel weiter, mit der sicheren Gewissheit, dass er auf dem Boden zerschellen würde.
So schlau also Werner seinen Einfall zusammengeträumt hatte, er nütze ihm garnichts.
Wieder erwachte er, mit rasendem Herzen und schweißgebadet.

Traumdeutung Teil 2: Brennende Seelen
Bei der brennenden Fackel war Werner verwirrt. Mit und ohne ihr ging sein Traum schlecht aus.
Ich sagte Werner, dass der Fackelmensch ein Symbol für den Wandel sei, dass dieser Wandel schmerzhaft, aber notwendig sei. Die Asche wäre seine Angst davor, dass von ihm nichts mehr übrig bliebe, außer eben Asche. Tatsächlich könne er noch nicht sehen, wohin es mit ihm gehe. Die Zukunft sei eben offen.
Werner war nicht überzeugt.
Dann fiel mit ein Gedicht von Friedrich Nietzsche ein:
Ja, ich weiß woher ich stamme,
Ungesättigt gleich der Flamme
glühe und verzehr ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Asche alles, was ich lasse,
Flamme bin ich sicherlich.
Darüber musste Werner erstmal nachdenken. Wir beschlossen, an einem anderen Tag weiter zu sprechen.

Die Flamme symbolisierte hier die Fähigkeit, sich zu verändern, also Werners kreative Energie. Werner hatte diese blockiert und deshalb erschien sie ihm als schmerzhaft, wenn er sie berührte.
Die kreative Energie hilft uns auch, andere Menschen zu verstehen und unseren eigenen Weg zu gehen. Werners Unverständnis für andere und die Blockierung seines eigenen Weges zeigten deutlich, dass er seine kreative Energie verloren hatte. Sein privates Leben war ihm zu einem Stellungskrieg mit dem anderen Geschlecht geworden. Werner selbst musste hier notwendig depressive Phasen durchlaufen. Er hatte nicht den inneren Reichtum, um die Schwermut abzuwehren.
Drei Tage später meldete sich Werner bei mir.
Er habe, so sagte er, meine Deutung akzeptiert.
Seine Stimme klang dabei so tonlos, dass mir dieses Zugeständnis wie eine Abbitte vorkam: ich sollte ihm brav den Kopf tätscheln, ihn als "geheilt" entlassen und er könne dann so weitermachen wie bisher.

Ich ging darauf nicht ein.
Etwas an dem Traum haben wir, sagte ich zu ihm, noch nicht gelöst: das Rätsel des Wassers.
Ich lenkte Werners Aufmerksamkeit noch einmal auf den Anfang des Traumes. Er denkt, als er den Wasserfall sieht, das Wort "eisig".
Alles, was Werner dazu einfällt, sind seine Ex-Freundinnen.

Er, Werner, hat ihnen Gefühlskälte vorgeworfen, während sie ihm umgekehrt dasselbe an den Kopf geschmissen haben.
Also, sagte ich - etwas übereilt, wie ich zugeben muss -, symbolisiert der Wasserfall eine Frau. Welche Frau ist es denn auf keinen Fall?
Meine Mutter, sagte Werner wie aus der Pistole geschossen.

Werner hatte das Gespräch mit einem leicht trotzigen Tonfall begonnen. An dieser Stelle überhastete er sich.
Meine Frage nach der Frau ist übrigens ein "Trick" gewesen. Wie Sigmund Freud in seinem Aufsatz "Die Verneinung" ausführt, kennt unser Unbewusstes kein Nein. Indem ich Werner eine Frage mit Verneinung gestellt habe, hat sein Unbewusstes ein "Ja" daraus machen können, ohne dass ihm das bewusst war.

Werners Eltern
Werners Eltern waren beide schon tot. Er hatte noch eine ältere Schwester, zu der er keinen Kontakt hatte.
Die Mutter beschrieb Werner als streng und gerecht, aber auch als liebevoll. Der Vater sei nie dagewesen.
Die Schwester sei, so erzählte Werner, nach einem furchtbaren Streit mit der Mutter ausgezogen und habe einige Jahre mit einem Taugenichts die Welt bereist. Allerdings kannte Werner diesen Mann nicht. Da die Schwester mittlerweile verheiratet war und zwei halberwachsene Kinder hatte, sagte ich, seine Schwester habe es ja irgendwie geschafft.
Ja, aber das wär nichts, warf Werner hier ein. Seine Schwester sei ja eigentlich eine Schlampe, völlig gefühlskalt, die sei nicht mal zur Beerdigung der Eltern gekommen, und die hielte sich ja für sowas von emanzipiert und wahrscheinlich würde sie ihren Mann unterdrücken, ... und so ging es in einem fort.
Werner wurde richtig böse. Für mich war sehr klar: er gönnte seiner Schwester nicht, dass sie sich von den Eltern gelöst hatte.

Hier drehte sich nun unser Gespräch zunächst darum, wie er Frauen bewertet. Für mich ging es hier vor allem darum, welche Beziehung hier Werner immer wieder mit seinen Freundinnen inszenierte.
Ganz grob gesagt passierte folgendes: er verliebte sich in eine "Ersatz-Schwester", behandelte aber die Frau dann so, als ob sie wie seine Mutter werden könnten. Denn tatsächlich ist die Mutter ziemlich bösartig gewesen. Das hatte Werner später, nachdem er längere Zeit Therapie gemacht hat, herausgefunden. Er hatte es bis dahin schlichtweg "vergessen".

In unserem Gespräch wies ich Werner lediglich darauf hin, dass mir das sehr nach Neid klinge, was er über seine Schwester sagte.
Seine Schwester hatte sich von der Mutter gelöst. Er dagegen hatte sich an sie gefesselt, und sich ihr immer brav und folgsam gezeigt.
Später - und auch im Rahmen der Therapie - entdeckte Werner außerdem, dass er auf seinen Vater einen entsetzlichen Hass empfand. Der Vater hatte neben seiner Ehe zahlreiche Affairen gehabt. Um seinen Sohn hatte er sich nicht gekümmert. Der Vater hatte sich auf seine Weise "befreit" - später starb er, nachdem er Jahre mit depressiver Verstimmung im Bett verbracht hatte.

Wir schlossen an diesem Tag unser Gespräch damit, dass das Wasser im Traum etwas sehr zweideutiges war. Es löschte die verwandelnden Flammen, aber rettete nicht.
Ich empfahl Werner - zunächst sehr zu seinem Entsetzen -, den Traum noch mehrmals ganz bewusst zu träumen. Dazu sollte er ein Traumtagebuch führen.

Der neue Traum
Fast zwei Wochen später erzählte mir Werner bei unserer nächsten Begegnung folgendes:
Zunächst habe er den Traum, wie er ihn zuerst geträumt hatte, noch mehrmals geträumt, allerdings ohne diese Angst. Ich habe, so sagte er, meiner Fackel einfach Asbesthandschuhe verpasst. (Hier mussten wir beide lachen.)
Dann aber dachte er sich, dass diese Asbesthandschuhe der menschlichen Fackel ihren Sinn nehmen würden. Also träumte er den nächsten Traum wieder wie zuerst.
Diesmal aber verbrannte ihn die Fackel nicht, sondern er verschmolz mit ihr.
Danach wachte er mehrmals frierend (!) auf.

Werner erlebte sehr unruhige Tage. Er war unkonzentriert und fing schließlich eine Therapie an.

Zu Beginn der Therapie wollte er täglich die Karten gelegt haben, manchmal sogar zweimal. Er arbeitete stark an sich selbst, und wollte "endlich Erfolge sehen". Statt auf sich selbst zu horchen, sollte ich ihm dafür herhalten. Ich verweigerte ihm das.
Zunächst hörte er noch auf meine Mahnung, das Kartenlegen nicht überzustrapazieren. Auch nickte er erstmal ab, als ich ihm sagte, er nehme die Karten zu wichtig.
Trotzdem rief er weiter hartnäckig an und fragte nach seiner Zukunft. Und ich blockte das ebenso hartnäckig ab. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen aufhören, an sich selbst zu arbeiten, wenn man ihnen Erfolge voraussagt. Dass Erfolge von den Karten oft an Bedingungen geknüpft werden, wollen sie nicht mehr hören. - Bei Werner hatte ich nicht nur das Gefühl, dass eine erste Verbesserung ihn hätte alles hinschmeißen lassen; bei ihm wusste ich das. Also verweigerte ich jede Auskunft. - Zwar rief er dann auch bei anderen Kartenlegern an, verstrickte diese aber in skeptische und fruchtlose Gespräche. Ich sei, schmeichelte er mir, der Einzige, der ihm wirklich die Karten legen könne.

Schließlich riss Werner auch bei mir der Geduldsfaden. Er brüllte mich an: Du brennst mich garnicht. - Er wollte wohl Du kennst mich garnicht! sagen.
Der Versprecher zeigte hier, dass ich in die Rolle eines Hilfstherapeuten gekommen war: als ich bei diesem Spiel nicht mitspielte, wies er mir eine ebenso zwiespältige Rolle wie der menschlichen Fackel zu: "Mörder" und Retter in einem. Und dann "löschte" er mich zunächst.

Erst fast ein Jahr später meldete sich Werner erneut.
Es ging ihm wesentlich besser. Er hatte nach einiger Zeit seine Therapie durch "freies Figurenmalen" ergänzt - einer kreativen Technik, die ich ihm damals empfohlen hatte.

Diesmal wollte er wissen, ob er bei einer Frau Chancen hatte. Er hatte sich nämlich Hals über Kopf verliebt. Das Kartenlegen zeigte, dass er sie erobern könne und das tat er dann auch. Sehr viel offener und freundlicher übrigens als früher.

Abschluss
Die meisten Träume sind nicht so dramatisch ins Leben eingebaut wie der von Werner.
Werner stand an einem Scheideweg zwischen Weitermachen und Sich-ändern.

Ich war ziemlich froh, dass er sich in dieser Situation einen Therapeuten gesucht hatte. Jeder Leser, der sich ein wenig mit Psychologie und Psychoanalyse auskennt, weiß, wie grenzwertig hier unsere Arbeit war.

Ich hoffe aber, dass ich hier Folgendes deutlich machen konnte:
  1. Das Traumdeutungslexikon hat hier zwar Feuer als seelische Energie gedeutet, aber ebenso sollte das Wasser hier seelische Energie bedeuten. An dieser Stelle hat das Lexikon nicht mit der Gewitztheit von Werner gerechnet. Wasser war hier vollkommen negativ besetzt als eine Maske der bösartigen Mutter.
  2. Das Feuer dagegen war hier nicht nur reinigende Energie, sondern - genauer - kreative Energie.
  3. Im Traumdeutungslexikon steht auch zum Beispiel, dass ein brennendes Haus eine Krankheit ankündigt. Es ist zwar richtig, dass Häuser für den Träumer stehen können - das Haus ist hier also eine Verkleidung für das Traum-Ich - aber nicht immer stimmt diese Deutung und nicht immer muss ein brennendes Haus auf eine Krankheit hindeuten. Ehrlich gesagt: meist ist diese Deutung sogar gefährlicher Unsinn. - In unserem Fall nämlich weist das Verbrennen auf eine Wandlung hin - einen Phönix aus der Asche. Und oft ist das brennende Haus Symbol für eine Transformation und keineswegs für eine Krankheit.
  4. Träume sind große Meister darin, ihre eigentliche Aussage zu maskieren. Ich habe selten Träume erlebt, die wirklich einem Traumdeutungslexikon gehorchen. Selbst die Traumdeutung von Werner und mir hat nur bestimmte Teile des Traumes angeschnitten, und vieles, was wir besprochen hatten, habe ich hier auch weggelassen. So war der seltsame Regenbogen ein Zeichen für die kalte Eleganz der Mutter. Das Muster auf diesem Regenbogen war schlichtweg das Muster einer Brosche, die die Mutter gerne beim Ausgehen trug.
  5. Gerade Helferrollen wie hier unser brennender Mensch und der Mensch, der am Netz hängt, sind behutsam zu deuten. In einem Traum zum Beispiel träumte ein junger Mann, dass er innerlich von einem fremdartigen Wesen aufgefressen wurde. Als dieses schließlich aus seinem Bauch herausplatzte, erklang eine Stimme: "Du bist das Tor!" - Auch dies ist ein Wandlungstraum gewesen. Der junge Mann sollte seine andressierte Nettigkeit ablegen. Gleichzeitig aber symbolisierte das Monster auch die Angst, als Monster angesehen werden zu können. Und natürlich war das Monster auch ein Wunsch: unabhängig zu sein, übermächtige Kraft zu haben. - Helferrollen sind also durchaus nicht immer in angenehmen Wesen wie Engel zu suchen. Und manchmal sind sogar Engel nur Maskeraden für boshafte und zerstörerische Energien.
  6. Jeder Traum weist auf einen Lebenskontext hin. Ohne den größeren Zusammenhang kann man einen Traum nicht interpretieren. Gerade bei Werner waren viele Traumszenen durch seine Comic-Lektüre geprägt. Der Traum hätte ganz anders aussehen können und trotzdem das Gleiche aussagen können.
Ganz zum Schluss möchte ich Werner dafür danken, dass er mir erlaubt hat, hier über ihn zu schreiben.

Liebe Grüße,
Adrian

Donnerstag, 8. März 2007

Tarot: Das keltische Kreuz

Seit einigen Jahren arbeite ich an einer "besseren" Verbindung zwischen Karten und Kartenbildern, Kreativität und Coaching, Hellsehen und Politik.
Mein Legesystem ist meist das keltische Kreuz. Ich möchte es hier für alle noch einmal in seiner Ursprungsform vorstellen.

Vorneweg: dieses Legesystem ist nicht für Anfänger geeignet. Kartenlegen beginnt man am besten unter einem kreativen Aspekt und da mit einer Karte.

Das keltische Kreuz



Die Bedeutungen im Überblick
  1. Darum geht es
  2. Das kommt hinzu
  3. Das wird erkannt
  4. Das wird gespürt
  5. Das hat dahin geführt
  6. So geht es weiter
  7. So sieht es der Frager
  8. So sehen es die anderen, oder dort findet es statt
  9. Das erwartet oder befürchtet der Frager
  10. Dorthin führt es

Und im Einzelnen
  1. Die Ausgangssituation
  2. Der hinzutretende Impuls, der förderlich oder auch hinderlich sein kann.
  3. Die bewusste Ebene. Das, was dem Fragenden im Umgang mit dem Thema klar ist, was er erkennt, was gesehen wird, was eventuell auch bewusst angesterbt wird.
  4. Der Bereich des Unbewussten. Das, was vom Charakter her Einfluss auf die Fragestellung hat.
  5. Die zeitlich zurückführende Karte. Sie zeigt die jüngste Vergangenheit und gibt damit häufig Hinweise auf Ursachen der jetzigen Situation.
  6. Die erste in die Zukunft weisende Karte gibt uns einen Ausblick auf die nahe Zukunft, auf das, was als nächstes kommt.
  7. Diese Karte zeigt den Fragenden, seine Einstellungen zum Thema (1+2) oder wie es ihm dabei geht.
  8. Das Umfeld. Hier kann sowohl der Ort des Ereignisses als auch der Einfluss anderer Personen auf das Thema dargestellt sein.
  9. Hier spiegeln sich Erwartungen und Befürchtungen des Fragenden wider.
  10. Diese Karte zeigt den langfristigen Ausblick, oft auch den Höhepunkt, zu dem das befragte Thema führt.

Ich werde demnächst Berichte über Kartendeutungen vorstellen, welchen familiären oder beruflichen Hintergrund diese hatten und was ich dem Ratsuchenden empfohlen habe.

Adrian

Donnerstag, 15. Februar 2007

Tarotkarten legen

Wenn man ein wenig im Internet herumschnüffelt, findet man alle möglichen Aussagen darüber, wie man Tarotkarten legen kann oder zu legen hat.

Ich mag hier über die richtigen Wege, wie man Tarotkarten legt, gar nicht entscheiden. - Dies für andere zu entscheiden, halte ich für gefährlich und deshalb falsch. Hier also zunächst einige Tipps für Anfänger.

Wie wähle ich Tarotkarten aus?

Es gibt mittlerweile zahlreiche Tarotkarten-Decks. Manche sind alt, andere recht neu, einige mit vielen Symbolen, andere eher emotional.

Wie kann man als Einsteiger mit dieser Vielfalt umgehen?

Zunächst halte ich es für günstig, sich vor Ort mit einem Tarotdeck vertraut zu machen. Das heißt zunächst, dass Sie ein Tarotdeck in den Händen halten können sollten. Ihr erstes Tarotdeck sollten Sie deshalb keinesfalls über das Internet kaufen.

Gehen Sie stattdessen in eine Buchhandlung oder einen Esoterikladen, der Tarotkarten führt. Schauen Sie sich jedes Deck gut an und entscheiden Sie sich erst dann.

Wenn Sie sich immer noch unsicher fühlen, sollten Sie keine Karten kaufen und lieber später noch einmal wieder kommen.

Manchmal treffen einen bestimmte Tarotkarten sofort. Dann spüren Sie unwillkürlich die Kraft dieser Karten. Ein solches Deck können Sie (und sollten Sie) kaufen.

Wie gehe ich als Anfänger mit Tarotkarten um?

Zunächst sollten Sie sich einen guten Aufbewahrungsort für Ihre Tarotkarten überlegen.

Manche Menschen basteln sehr liebevoll ein Haus, eine Pyramide oder eine Schmuckkiste für ihre Tarotkarten. Das ist natürlich eine wundervolle Idee. Hier sollten Sie aber selbst ein wenig Ihrem Gespür nachgehen.

Ich habe meine Tarotkarten einfach in ein schönes, gelbes Tuch eingeschlagen, wenn ich sie nicht benutze. Dieses Tuch mit den Karten lege ich in die Mitte meines Medizinrades.

Wenn Sie sich Karten ziehen, sollten Sie vor allem eines bedenken:

Es gibt hunderte Bücher zur Deutung von Tarotkarten. Und ich will jetzt nichts gegen diese Bücher sagen.

Allerdings: neben den Deutungen aus den Büchern, die immer intellektuelle Deutungen sind, ist der persönliche und intuitive Bezug zu den Karten sehr wichtig.

Sie wissen wahrscheinlich selbst gut genug, dass das Intellektuelle das Intuitive verdrängen kann. Deshalb empfehle ich Ihnen zunächst, keine Bücher zu lesen, sondern sich nur auf der intuitiven Ebene mit den Karten auseinanderzusetzen.

Deuten Sie also nicht, sondern spüren Sie den Empfindungen nach, die die Karten in Ihnen auslösen.

Dazu ziehen Sie sich am besten morgens eine Tageskarte. Diese Karte steht nicht dafür, was Ihnen an diesem Tag passieren wird. Sie empfiehlt Ihnen, an diesem Tag genauer auf das zu achten, was die Karte in Ihnen auslöst.

Erst wenn Sie genügend mit den Karten vertraut sind, sollten Sie die Karten zur Deutung nutzen.

Bei fast jeder Deutung haben Sie nämlich das zusätzliche Problem, dass Sie nicht nur die Karten für sich deuten müssen, sondern auch in ihrem Verhältnis zueinander. Und dazu gehört viel Erfahrung.

Professionelle Kartenleger sind deshalb viel mehr als nur Kartenleger.

Natürlich gibt es auch hier viele Wege und nicht nur einen richtigen. Vielleicht werden gerade Sie einen völlig neuen Weg beschreiten. Seien Sie mutig. Intellektuell gesehen ist eine Sackgasse zwar nur eine Sackgasse. Emotional und spirituell gesehen ist eine Sackgasse eine Erfahrung, durch die man neue Türen öffnen kann, gerade dort, wo eben noch eine Wand war.

Welche Möglichkeiten gibt es für einen professionellen Kartenleger, mit Kartenlegungen umzugehen?

Ich möchte hier drei Richtungen umreißen: die Kreativität, das Verhältnis Bewusstsein/Unbewusstes, die Spiritualität.

Kreativität

Die spielerischste Form ist die Arbeit an der Kreativität.

Zunächst: Was ist Kreativität?

Kreativität wird als die Fähigkeit definiert, Neues zu erschaffen.

Diese Definition sieht recht einfach aus. Nur ist sie das überhaupt nicht. Leider!

Was ist das Problem dieser Definition?

Das Problem liegt in dem Wort "Neues". Neues nämlich in Bezug auf was? Neues in Bezug auf die Kultur? Aber Sie wissen ja selbst: das meiste, was man selbst macht, wurde von irgendjemandem schon vorher gemacht und immer gibt es auch jemanden, der es sogar besser gemacht hat.

Irgendjemand hat schon mal ein solches Bild gemalt.

Irgendjemand hat schon mal ein solches Gedicht geschrieben.

Irgendjemand hat schon mal diese Gedanken zu Papier gebracht.

Was also sollte daran neu sein? Was sollte daran kreativ sein?

Sie merken selbst, dass also an dieser Definition alles hakt: Auf der einen Seite ist die Kreativität eine der herausragendsten Eigenschaften des freien Menschen. Auf der anderen Seite scheint Kreativität garnicht möglich zu sein. Picasso, Dali und Cezanne waren bessere Maler. Werke von Brecht, Goethe oder Arno Schmidt können wir sicherlich nicht in ihrer Qualität schlagen. Trauen Sie sich zu, eine Oper zu schreiben, die genausogut ist wie Puccinis "Tosca"?

Nein? Sind Sie also doch nicht kreativ?

Wie gesagt liegt das Problem darin, welchen Bezugspunkt man für das Neue setzen will. Wählt man die ganze Kultur, dann wird man kaum jemanden finden, der etwas Neues schafft. Zudem setzt man die Kultur höher als den einzelnen Menschen. Das aber ist eine mindestens seltsamen Entscheidung.

In der Sozialwissenschaft gibt es seit etwa fünfzig Jahren ein Schlagwort: Lebensweltorientierung. Hinter diesem Wort steht der Gedanke, dass der Mensch von seinem Umfeld geprägt wird, aber auch sein Umfeld beeinflusst. Dieser Gedanke erscheint Ihnen wahrscheinlich nicht neu. Das liegt aber daran, dass er mittlerweile sehr geläufig ist. Noch vor hundert Jahren glaubten viele Menschen daran, dass ein Mensch mit festen Eigenschaften geboren wird und die nie ändern kann. Heute wissen wir das zum Glück besser. Der Mensch wird von seinem Umfeld geprägt und kann in sein Umfeld eingreifen; und genau hier spielt jetzt die Kreativität eine große Rolle.

Ich sehe die Kreativität nämlich als die Fähigkeit an, mit der ein Mensch in seiner Lebenswelt Neues erschaffen kann und dadurch seine Lebenswelt und auch sich selbst ändern kann. Kreativität ist deshalb tatsächlich ein Mittel zur Selbstverwirklichung. Kreativität ist deshalb aber auch ein Mittel zur Veränderung des Umfeldes. Kreativität ist nicht nur bunt; sie ist therapeutisch, weil sie dem Menschen hilft und sie ist politisch, weil sie das Umfeld verändert.

Wenn zum Beispiel eine Frau, die bisher immer gegenüber ihrem Mann geschwiegen hat und duldsam war, den Mut aufbringt, sich gegen diesen Mann zu stellen, dann ist sie sehr kreativ. Sie bringt etwas Neues in ihre Lebenswelt ein. Sie fängt an, sich zu verwirklichen und verändert damit auf kleinster Ebene die Politik zwischen den Geschlechtern. Und aus hunderttausend Tropfen wird dann ein Strom.

Wenn ein Kind sich weigert, länger mit seinem Vater Matheaufgaben zu machen und diese alleine durchrechnen will, ohne dass der Vater hilft, ist das Kind sehr kreativ. Es setzt sich zudem gegen den Vater durch und übernimmt Verantwortung für sein Handeln. Eine nicht nur kreative sondern auch politische Entscheidung. Wenn hunderttausend Menschen verantwortlich handeln, gäbe das eine mittelgroße Stadt, in der man glücklich leben könnte.

Wenn ein Mann nach vielen Jahren Arbeit sich endlich Zeit nimmt, ein lange gewünschtes Hobby endlich zu lernen und zum Beispiel wirklich jedes zweite Wochenende Angeln geht, dann ist das kreativ.

Was für den einen kreativ ist, muss nicht für den anderen kreativ sein. Es kommt eben darauf an, wie der Bezug zwischen dem Menschen und seiner Lebenswelt ist.

Was aber haben jetzt die Tarotkarten damit zu tun?

Von der Kreativitätspsychologie aus machen Tarotkarten folgendes:

Sie helfen dem Ratsuchenden, bestimmte Aspekte seines Lebens auszuwählen. Dies ist gerade dann wichtig, wenn der Ratsuchende sich nicht gut entscheiden kann - aus welchen Gründen auch immer er sich nicht gut entscheiden kann.

Die Karten geben Hinweise darauf, was man ausprobieren sollte. Das heißt, sie geben Tipps, wo und wie Neues in die Lebenswelt eingebracht werden kann und wie ein Mensch kreativ werden kann. - Wie ich oben gezeigt habe, ist Kreativität nicht und häufig nicht das bunte Bild, das dahingeklimperte Klavierstück, das stolpernde Gedicht. Kreativität kann unangenehm sein. Kreativität kann sogar sehr unangenehm sein.

Stellen Sie sich vor, dass diese Frau, die ihrem Mann zum ersten Mal widerspricht, weiß, dass er gewalttätig reagieren wird. Das ist keine niedliche Kreativität. Da kann niemand hinkommen und schreien: "Och, is' das alles hübsch bunt hier! Un' das ham Se selbst jemacht?"

Hier helfen die Tarotkarten, einen guten Weg zu gehen, gute Freunde können einen stützen, ebenso wie Gleichgesinnte. Ein guter Berater an der Seite kann einem hier auch helfen, die unangenehmsten Wirkungen der Kreativität zu vermeiden und trotzdem kreativ zu sein.

Die Tarotkarten regen Gedankensprünge an.

Manchmal klafft zwischen den Tarotkarten und dem Leben eines Ratsuchenden ein Riesenspalt.

Wenn diese Frau, die von ihrem Mann so unterdrückt wird, die "Liebenden" gelegt bekommt, was wird sie wohl sagen? Aber ich kann jetzt nicht so gehen, und irgendwo liebe ich ihn ja auch, und was soll ich denn machen? Ich habe keinen Beruf, kein eigenes Geld und wer will mich denn jetzt noch haben, mit achtundvierzig?

Trotzdem. Beim Lesen merken Sie vielleicht schon, dass diese Frau nicht nur unterdrückt wurde sondern auch sich selbst unterdrückt. Sie muss sich nicht nur aus einer Beziehung befreien, sondern auch von sich selbst befreien.

Die Liebenden als Karte sagen ihr auch: nutze diese Beziehung, um für dich selbst zu wachsen, nicht, um dich klein zu halten. Sie wird fragen: wie soll ich denn diese Beziehung nutzen? In diesem Fall - und es ist zugegeben ein schwieriger Fall - muss der große kreative Schritt der Befreiung in kleine Schritte aufgeteilt werden. Sich eine Arbeit suchen, vielleicht in ein Frauenhaus ziehen, vielleicht den Kontakt zu Freundinnen intensivieren, möglicherweise sie zu ermutigen, bei der nächsten Prügel auch die Polizei aufzusuchen. Ihre schlechten Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Sich die Zeit zu nehmen, eigene Sachen zu machen.

Hier kommt es eben auf die ganz einzigartige Person an.

Zum Schluss aber führen die Tarotkarten, wenn man sie kreativ nutzt, immer zu Handlungen. Ohne Handlungen gibt es keine wirkliche Kreativität.

Kreatives Kartenlegen ist vielleicht die oberflächlichste Form des Kartendeutens. Mit den Karten wird ein Aspekt des Lebens ausgewählt. Dieser Aspekt steht als Hinweis im Mittelpunkt der nächsten Stunden, Tage oder Wochen. Der Ratsuchende sollte möglichst oft seine Aufmerksamkeit auf diesen ausgewählten Aspekt richten. Die Karten geben zudem Assoziationen vor, in denen man für eine Zeit lang eine Lösung suchen sollte. Und schließlich kann man anhand der Karten und möglichst mit einem guten Freund oder Berater praktische Schritte zur Verwirklichung der Kreativität planen.

Diese Aufgabe ist allerdings nicht einfach, sie ist insgesamt nicht einfach. Vielleicht ist das kreative Kartenlegen nicht so tief auf die seelische und spirituelle Ebene ausgerichtet, aber die Beratung ist trotzdem anspruchsvoll und braucht viel Hintergrundwissen, Sensibilität und soziale wie emotionale Intelligenz.

Das Verhältnis Bewusstsein / Unbewusstes

Auch hier mag ich zunächst näher bestimmen, was diese beiden Begriffe bedeuten.

Da wir beide Begriffe in unserer alltäglichen Sprache benutzen, sind sie unscharf geworden. Unscharfe Begriffe führen zu Missverständnissen. Ich werde nicht alle Missverständnisse ausräumen können, aber hoffentlich doch einige.

Das Bewusstsein - besser als "Ich" bezeichnet - vermittelt zwischen dem Unbewussten und der Kultur. Das Bewusstsein ist vor allem aber der Ort, wo wir uns unsere Gedanken machen. Diese Gedanken sind seltsame Diplomaten. Sie dienen zwei Herren: den Zwängen und Freiheiten der Kultur einerseits, andererseits den Impulsen des Unbewussten.

Manchmal werden Impulse aus dem Unbewussten unterdrückt oder entstellt.

Manchmal schreckt das Bewusstsein vor den Freiheiten der Kultur zurück oder lehnt sich gegen die Zwänge auf.

Dieses Spiel im Bewusstsein führt zu den zahlreichen bunten Erscheinungen, die man Menschen nennt. Die einen sind friedlich, die anderen ungestüm. Die einen sind kess, die anderen nachdenklich. Die einen planen sorgfältig und mit Liebe ihre Schritte. Die anderen hüpfen spontan und lustvoll ins kalte Wasser.

Alles nur Sternzeichen?

Nicht wirklich. Jedes Kind, das im Sternzeichen des Löwen geboren ist, kann durch frühkindliche Misshandlung gebrochen werden. Der selbstbewusste Löwe ist durch schlimme Erfahrungen zu einem gequälten und unsicheren Charakter geworden.

Der individuelle Charakter hat immer einen Einfluss auf das, was uns spirituell mitgegeben worden ist.

Der individuelle Charakter bildet sich in der Auseinandersetzung des Bewusstseins mit Kultur und Unbewusstem.

Und hier können dann auch die Karten klärend eingreifen.

Gerade Menschen, die viel Leid in ihrem Leben erfahren haben, schleppen viele alte seelische Verletzungen mit sich herum. Diese alten Verletzungen sind oft mit sinnvollen Lösungen bedacht worden. Aber wenn dieser Mensch sich weiter entwickelt, können diese Lösungen plötzlich falsch werden: statt dem Menschen zu helfen, machen sie ihn krank.

Hier kann ein sensibler und möglichst auch hellsichtiger Kartenleger Klärungshilfen geben. Er kann herausfinden, wo ein Ratsuchender sich selbst blockiert, und ihn auf alte Ängste und unabgeschlossene Trauer hinweisen. Ein fundierter Kartenleger kann auch Lösungshilfen anbieten.

Allerdings:

Der Kartenleger ersetzt nie eine Therapie und ein Kartenleger ist auch kein Therapeut. Jeder professionell arbeitende Kartenleger wird hier keine Heilsversprechen geben, sondern im Zweifelsfall darauf hinweisen, dass hier ein therapeutisch geschulter Psychologe der bessere Ansprechpartner ist.

Ich habe es schon öfter erlebt, dass sich Kartenleger mit sehr viel Arroganz und kernigen Sprüchen gegen klassische Therapieformen gestellt haben.

Ich habe ebenso oft erlebt, dass die Ratsuchenden damit nicht von ihren Problemen weggekommen sind und sich häufig ihre Probleme verschlimmert haben.

Deshalb möchte ich jedem folgende Regel mitgeben: Ein Kartenleger, der sich gegen Therapieformen, Therapien und Therapeuten stellt, ist nicht professionell, sondern gefährlich.

Davon abgesehen können manche Kartenleger trotzdem Recht haben, wenn sie einem Ratsuchenden eine andere Therapie oder einen anderen Therapeuten empfehlen.

Überprüfen Sie in einem solchen Fall immer, wie viel Kenntnis der Kartenleger von den Therapien hat! - Viele Kartenleger haben nämlich keinerlei Ahnung, wovon sie sprechen, wenn sie von Therapie sprechen. Wie aber sollte ein Kartenleger die schwierigen Prozesse einer Therapie nachvollziehen können, selbst wenn er hellsichtig ist, wenn er dies nicht mit einem guten Wissen verbinden kann? Meist eben kann er das nicht! Und auf Ausnahmen sollten Sie nicht hoffen.

Überprüfen Sie, ob der Kartenleger Ihnen Heilsversprechen macht und wie wahrscheinlich diese sind! - Geht es hier also darum, Sie vor dem Therapeuten ernsthaft zu warnen, oder darum, Sie in die Fänge des Kartenlegers zu bekommen, sei es aus Geldgier, sei es aus Machtgier?

Überprüfen Sie, ob der Kartenleger Ihnen nach dem Mund redet! - Damit bedient er nur Ihren allerersten Glauben, tut Ihnen schön und baut Ihnen ein illusorischen Luftschloss auf. Leider sind Luftschlösser nur Luftschlösser und man kann tief fallen, wenn man sie betreten will - so ziemlich genau bis auf den harten Boden der Realität. Kein professioneller Kartenleger wird Ihnen Unangenehmes ersparen, ebensowenig wie ein Therapeut Ihnen Unangenehmes ersparen wird. Jeder Kartenleger mag Ihnen auch die erfreulichen Sachen lieber sagen. Nur wird Ihnen kein guter Kartenleger zu einer Illusion verhelfen, die sich irgendwann in Nichts auslöst.

Sollten Sie eine Therapie machen und gleichzeitig einen Kartenleger aufsuchen, seien Sie hier bitte gegenüber Ihrem Therapeuten ehrlich. Ein Kartenleger kann ein sehr starker Berater sein. Er kann tatsächlich manchmal hilfreicher sein als ein Therapeut.

Sie allerdings sollten sich hier nicht zwei unverbundene Hilfen leisten.

Warum? - Jede Form von seelischem Leid beruht auf Spaltungen. Spaltung bedeutet, dass Sie einen Teil ihres Charakters unterdrücken, entstellen oder nicht sehen wollen. Das seelische Leid teilt Sie sozusagen in einen offiziellen und einen unterdrückten, abgespaltenen Charakter auf.

Wenn Sie sich jetzt zwei oder noch mehr Hilfen bei Ihren seelischem Leid leisten, und diese nichts voneinander wissen, dann wiederholen Sie den krankmachenden Mechanismus in Ihrem Leben und machen sich womöglich noch kränker.

Deshalb nochmal der Rat: Auch wenn es Ihnen gegenüber dem Therapeuten peinlich ist zu sagen, dass Sie auch einen Kartenleger um Rat fragen, seien Sie ihm bitte gegenüber ehrlich. Nicht wegen dem Therapeuten, sondern wegen Ihnen selbst.

Spiritualität

Was ist Spiritualität?

Jedenfalls nicht dieser Quark, der aus schamanischen Reisen so einen Mallorca-Touri-Quatsch macht.

Jedenfalls nicht diese Kartenleger, die einem sagen, man werde am 23. April 200x den Mann seines Lebens treffen.

Jedenfalls nicht diese seltsamen Gestalten, die uns auf schlecht fotografierten Bilder Gegenlicht-Reflexe für UFO-Erscheinungen halten lassen wollen.

Spiritualität ist etwas anderes.

Spiritualität ist Gelassenheit, Humor und Ernst.

Spiritualität ist Weisheit, Intelligenz und Gefühl.

Spiritualität ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Spiritualität ist Körper, Geist und Seele.

Spiritualität ist Kreativität, Intuition und Auseinandersetzung.

Spiritualität ist Alltag, Politik und Kunst.

Spiritualität ist der ganzheitliche Mensch in seinem Wirken und Schaffen.

Wer nur hellsieht, ist nicht spirituell.

Wer nur Karten legt, ist nicht spirtuell.

Wer nur Engel sieht, ist nicht spirituell.

Es kann sein, dass der Hellseher gut hellsehen kann. Aber wenn er nur hellsieht, sieht er nicht den ganzen Menschen.

Es kann sein, dass der Kartenleger hervorragend Karten legt. Aber wenn er nur Karten legt, wird er nie den ganzen Menschen erfassen.

Es kann sein, dass der Mensch, der Engel sieht, und einen tiefen Kontakt zu den Engeln der Menschen hat, keinen Kontakt zum ganzen Menschen aufbauen kann.

Auch ein Schamane ist mehr als ein Wunderknabe, der Weihrauchkerzen anzündet, Steine aus dem Yellowstone-Park zu seltsamen Rädern zusammenlegt und mystische Gesänge anstimmt.

Ein Schamane ist Freund und Zeuge, Berater und Richter, Forscher und Lehrer, Sänger und Dichter, Handwerker und Künstler. Und als solcher kann ein Schamane in der modernen, globalisierten Gesellschaft auch nicht einfach Wundertüten und Geistheilungen verteilen.

Neben der Heilung ist die edelste Aufgabe des Schamanen, dem Mensch eine freiheitliche und gelassene Einbettung in seine Umwelt zu ermöglichen.

Das ist Spiritualität.

Alles andere ist weichgespülter Esoterik-Kommerz.

Können also Tarotkarten spirituell gelegt werden?

Natürlich!

Die Tarotkarten behandeln auf diesen 78 Karten alle Aspekte des menschlichen Lebens. Deshalb sind Tarotkarten ganzheitlich und deshalb sind sie auch spirituell.

Aber ohne die Arbeit zwischen Berater und Ratsuchendem können die Karten sehr rasch einseitig werden.

Viele Menschen legen sich selbst die Tarotkarten und sind irgendwann sehr enttäuscht, weil sie nicht vorwärts kommen. Sie wissen noch nicht einmal genau, worin sie nicht vorwärts kommen. Dann konnten sie den ganzheitlichen, spirituellen Aspekt der Tarotkarten nicht verwirklichen.

In solchen Fällen kann oftmals ein guter und kritischer Freund helfen oder eben ein guter Berater.

Woran erkennt man einen guten Berater?

  • Er hört zu und fragt nach.
  • Er urteilt nicht so schnell.
  • Er zeigt Tendenzen auf und wie Sie diese beeinflussen können.
  • Er sagt Ihnen nie, dass etwas auf jeden Fall so passieren wird und Sie dabei keine Entscheidungsfreiheiten haben. (Es sei denn natürlich, eine Lage ist wirklich aussichtslos. Ein Haus, das in drei Tagen zwangsversteigert werden soll, kann von keinem Kartenleger der Welt vor dieser Zwangsversteigerung gerettet werden.)
  • Er verspricht keine Wunder und keine Wunderheilungen.
  • Ein guter Berater sagt Ihnen auch, was er nicht kann und wann er sich unsicher ist.
  • Er weist auf andere Professionelle hin. Vor allem wird Ihnen kein guter Berater vormachen, er könne Ihre zukünftigen Krankheiten sehen und Ihnen damit den Arztbesuch ersparen.
  • Er wird Ihnen keine Lottozahlen legen. Das Glück, das im Schicksal so wichtig ist, hat nichts mit dem kleinen Glück einer Maschine zu tun. Rein garnichts. Sonst wären alle guten Berater reich. (Sie sind es nicht! Glauben Sie mir das.)
  • Er informiert sich in Zweifelsfällen, liest Bücher und recherchiert im Internet.
  • Er hat Humor.
  • Er gibt Ihnen praktische Tipps, wie Sie kreativ arbeiten können und empfiehlt Ihnen Bücher, mit denen Sie selbstständig arbeiten können.
  • Er sagt Ihnen auch unangenehme Sachen über Sie. Aber er hilft Ihnen auch, damit umzugehen.
  • Er warnt und ermutigt, aber er macht Ihnen keine Angst vor der Zukunft und lässt Sie auch nicht die Zukunft wie ein Fernsehprogramm konsumieren.
  • Kein guter Berater macht Ihr persönliches Glück davon abhängig, dass Sie ihn möglichst oft anrufen.
  • Ein guter Berater beendet das Gespräch, wenn er dem Ratsuchenden geholfen hat.

Und noch einmal:

Ein spiritueller Berater wird Sie nie nur mit mystischen Erscheinungen überschütten.

Ziel und Verwirklichung der Spiritualität ist die gute und ganzheitliche Verbindung des Menschen mit seiner Umgebung. Und das sollte dann auch in der Beratung zu spüren sein.

Sie sollten zwar immer auch sich selbst überprüfen, ob Sie überhaupt bereit sind, sich zu ändern und an sich zu arbeiten.

Auf der anderen Seite ist das beste Zeichen, dass ein Berater gut ist, wenn er Ihnen Hilfen gibt, mit denen Sie sich ändern können.

Denn jede gute Beratung ist darauf ausgerichtet, den Ratsuchenden zu einem guten Selbstberater zu machen. Jede gute Beratung endet irgendwann.

Und jeder gut Beratene wird sein Leben mit mehr Freiheit und Selbstverantwortung, mit mehr Ganzheit und Humor leben können.

Ein gut beratener Mensch ist ein Mensch, der selbst spirituell geworden ist. Mit oder ohne Hellsicht. Mit oder ohne Fähigkeiten zum Kartenlegen. Mit oder ohne Engelskontakten.

Schluss

Ich hoffe, ich konnte Ihnen hier hilfreiche Tipps geben, worauf Sie achten sollten.

Ich hoffe natürlich auch, dass ich Ihnen Anregungen geben konnte, mit denen Sie zum Arbeiten an sich selbst kommen.

Sollten Sie Fragen und Anregungen haben, können Sie mir gerne einen Kommentar schreiben.

Adrian