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Donnerstag, 15. Februar 2007

Was sind Erinnerungen?

Geht man von den neuesten Gedächtnisforschungen aus, dann sind Erinnerungen folgendes:

  1. Erinnerungen sind keine Inhalte, sondern Strukturen. (Ich erkläre gleich, was das bedeutet.)
  2. Erinnerungen sind Konstruktionen, keine Abbildungen.
  3. Erinnerungen sagen: Das darf mit dem verwechselt werden.
  4. Je ungesättigter - und das heißt: unstrukturierter - Erinnerungen sind, desto schneller verblassen sie.

Zu 1:

Laut der neuesten Gedächtnisforschung bilden Erinnerungen nicht die Welt ab, sondern teilen die Welt ein. Danach ist die Erinnerung nicht das scharfe Bild, das an seinen Rändern zerfließt, sondern im Gegenteil die scharfe Grenze, die zur Mitte hin zerfließt. Die Grenze ist immer die Grenze zu etwas anderem.

Für das Lernen bedeutet dies, dass man immer zwei aneinandergrenzende Sachen lernen sollte und zwar, indem man die Unterschiede zwischen ihnen feststellt. Wenn man die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen aufzählt, bildet man eine Schnittmenge oder einen Oberbegriff, der dann schon das dritte Element ist.

Zu 2:

Erinnerungen sind nicht dazu da, sie festzuhalten, sondern um sie (sich) abändern zu lassen. Es gibt zwar sehr feste Erinnerungen, die sich über Jahre hinweg gut halten. Nichtsdestotrotz muss hier vor allem der pragmatische Aspekt der Erinnerung hervorgehoben werden: es geht nicht um die Erinnerung (die sogenannte eigene Vergangenheit), sondern um das Sich-Erinnern (also die Praxis in der Gegenwart) und es ist auch nicht sonderlich interessant, was in der Vergangenheit steht, sondern wie es in der Gegenwart gebraucht wird. Eine erfundene Erinnerung ist deshalb genauso gut wie eine echte Erinnerung. Beides sind Konstruktionen. Nicht die Wahrheit, sondern ihr guter Gebrauch ist entscheidend.

Für das Lernen bedeutet dies: Lerne nicht, sondern bastle dir ein brauchbares Modell (und lerne dadurch).

Zu 3:

Wenn Erinnerungen an ihren Grenzen scharf sind, sind sie "in der Mitte" unscharf. Das heißt auch, dass in ihrem Kern eine Verwechselung liegt. Der englische Mathematiker George Spencer Brown hat in seinem Buch "Laws of Form" das Gleichheitszeichen als "may be confused with" definiert, als "darf verwechselt werden mit". Genauso funktionieren Erinnerungen.

Wenn ich so vieles nicht miteinander verwechsle, dann deshalb, weil ich ein Ereignis, einen Gegenstand, einen Menschen so "durchstrukturiert" habe, dass ich ihn nicht mehr verwechsle. Das kleine Kind sagt noch "wauwau" zur Katze. Der Erwachsene verwechselt vielleicht noch zwei Hunderassen miteinander. Im Mathematikunterricht lernen die Kinder von dem sinnlich konkreten zu abstrahieren, damit 1 Ente genauso viel ist wie 1 Elefant und zwar unter dem Aspekt: Anzahl der Tiere. (Übrigens ist die Abstraktion immer sinnvoll: wenn ich aus einem Durcheinander eine Ordnung herstellen will, muss ich Einteilungen schaffen: ich abstrahiere. Wer sagt, er abstrahiere nicht, erzählt eigentlich nur, dass er weder wahrnehmen, noch denken, noch erinnern kann und das geistige Niveau einer Seegurke nicht toppen will. Zudem ist jede Abstraktion individuell: sie markiert einen kleinen Schritt auf dem Weg zu einem kritischen Denken - wobei Abstraktion allerdings nicht das einzige Gütekriterium ist: Sinnlichkeit gehört genauso dazu.)

Für das Lernen heißt dies, dass man die Dinge aufbrechen, klein arbeiten soll. Analysieren, differenzieren, verteilen. Mit Ironie, Spott und Humor, denn nichts davon ist real (also ein Abbild), aber alles davon ist konstruiert (und dann sollte man mit all seinem Herzblut und all seinem Eigensinn konstruieren).

Zu 4:

Erinnerungen werden also durch Grenzen scharf. Grenzen wozu? Grenzen zu anderen Erinnerungen. Je mehr ich also eine Erinnerung mit anderen vernetze (verbinden heißt hier: gegeneinander abgrenze), desto schärfer wird sie. Nie lerne ich eine Erinnerung alleine, immer kommen diese mindestens zu zweit (anders funktioniert das garnicht). Je weniger ich eine Erinnerung vernetze, umso schneller verblasst sie.

Und für das Lernen heißt das: nutze jede Abweichung, jeden Einfall, jeden wildgewordenen Bocksprung, der dir durch die Gedanken fährt, denn alles, was du noch dazu erinnerst, schärft diese eine Erinnerung in ihren Grenzen. Es ist also nicht das penible Auswendiglernen, was Erfolge bringt, sondern das spielerische und teilweise taumelnde Umkreisen von Themengebieten.

Was nun Erinnerungen angeht:

Sind sie unschön? Dann erzeuge Abweichungen.

Fehlen dir schöne Erinnerungen? Dann konstruier dir welche (zum Beispiel durch intensive Visualisationen oder Phantasiereisen).

Wichtig allerdings: eine Erinnerung hat nicht nur intellektuelle Aspekte, sondern auch körperliche (psychomotorische sagt man in der Psychologie dazu) und emotionale.

Je mehr Emotionen ich habe, gute wie "schlechte" (ich hasse dieses Reden von schlechten Emotionen - irgendwo sind alle Emotionen hilfreich und sinnvoll), desto größer ist die Chance, dass ich Erinnerungen auch emotional gegeneinander abgrenzen kann.

Je mehr ich mit irgendwelchen Sachen handle und umgehe, umso größer ist die Chance, dass ich diese auch psychomotorisch voneinander abgrenze.

Deshalb: je mehr ich handeln kann, umso mehr kann ich diese Handlungsstrukturen den Gefühlen zur Verfügung stellen; je mehr ich fühlen kann, umso mehr kann ich die emotionalen Strukturen meiner Intellektualität zur Verfügung stellen; je mehr ich bewusst denke (das heißt bei vielen Menschen: je intellektueller ich bin), umso mehr kann ich meine intellektuellen Strukturen meinen Handlungen zur Verfügung stellen, womit der Kreis geschlossen wäre. Den Willen hätten wir noch, den ich aber ganz gerne mit der Spiritualität zusammenfließen lasse - die Spiritualität ist (ungefähr) die offene Ganzheitlichkeit des Menschen (obwohl das zu dogmatisch ist).

Rekapitulieren, Phantasiereisen, Modelle basteln und skizzieren, mit dem Thema herumalbern und es aggressiv durchdringen, strukturieren, es singen, tanzen oder malen, sich neue Erinnerungen erfinden und alte durchanalysieren: wissenschaftlich gesehen ist das nichts weiter als das Abbauen/Aufbauen, die Destruktion/Konstruktion, die Dekonstruktion, der Umbau des Gedächtnisses. Anything goes! - The Frage is only, how weit du damit kommst. (Was Paul Feyerabend eigentlich gemeint hat, als er Anything goes! sagte.)

Liebe Grüße,

Ihr Adrian

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du hast mir diesen Artikel schon mal als Antwort auf eine Frage von mir gegeben...
Heute hab ich ihn nochmal gelesen und zum ersten Mal auch verstanden *gg*. Und somit heute nochmal vielen Dank für diesen Artikel.

Es ist schon erstaunlich, wie persönliche Betroffenheit die Wahrnehmung beeinflusst. ;-)

Liebe Grüße
Schwarze Wölfin

Adrian hat gesagt…

Hallo Schwarze Wölfin!

Im Zweifelsfall immer nachfragen. Da mir manchmal meine Gedanken durchgehen, kann ich auch mal unverständlich sein.

Adrian

Anonym hat gesagt…

*lach*
Nein...es lag an mir. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nicht "sehen" ;-)