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Dienstag, 13. März 2007

Freies Schreiben - Wir basteln uns unseren Monstersaal

Wie versprochen erkläre ich hier nochmal, was Freies Schreiben ist.

Freies Schreiben
Am sinnvollsten ist es wohl, zunächst das "Kochrezept" vorzustellen.
  1. Nimm dir ein oder mehrere Blätter Papier.
  2. Beginne mit dem ersten Gedanken und schreibe so lange alles auf, was dir in den Kopf kommt, bis eine festgesetzte Zeit vorbei ist - zehn Minuten zum Beispiel -, oder du eine bestimmte Anzahl an Blättern vollgeschrieben hast.
Julia Cameron empfiehlt hier die Morgenseiten - drei Seiten am Stück und etwa eine halbe Stunde Zeit -, wobei ich ganz klar sagen muss: ich habe für meine erste Morgenseite etwa vierzehn Stunden gebraucht.
Deshalb ist meine Empfehlung: schreibt etwa eine Viertelstunde oder zehn Minuten ohne Unterbrechung.

Es gibt hier noch eine Zusatzregel:
Wenn dir gerade mal nichts einfällt, dann wiederhole einfach den letzten Gedanken oder das letzte Wort.

Ganz wichtig beim freien Schreiben ist auch, dass du auch den allergrößten Mist aufschreibst. Es liest ja eh niemand, also kannst du dir das gut erlauben.

Kreatives Schreiben
Schreiben ist der Versuch, mit dem Leben zurecht zu kommen. Es gibt so viele Lösungen, wie es Menschen gibt.

Mit Schreiben ist hier natürlich das kreative Schreiben gemeint, nicht das finanziell erfolgreiche Schreiben.
Finanziell erfolgreiches Schreiben wird zwar gerne als "das" Schreiben gesehen, ist aber leider häufig nur durch den Erfolg eines Buches bestimmt, nicht durch die Bewertung des kreativen Prozesses.

Kreativität ist natürlich ein Prozess! Was auch sonst?
Kreativität hört nie auf. Sie wandelt sich ständig; und sie wandelt ständig die vorhandene Welt in eine neue Welt um. Insofern ist ein fertig geschriebenes Buch nicht mehr kreativ. Es zu schreiben ist kreativ, es zu lesen ist ebenfalls kreativ. Aber Schreiben und Lesen sind offene Prozesse. Ein Buch ist nur ein Ding.

Vielleicht kommt Ihnen all das sehr merkwürdig vor. Schon der Gedanke, dass ein Buch nicht kreativ ist, dürfte seltsam sein. Ich argumentiere hier aber scharf: Kreativität ist etwas, das einen Menschen ausmacht. Nur Menschen können kreativ sein, nichts sonst. Bücher sind keine Menschen und Menschen keine Bücher, also sind Bücher nicht kreativ. Allerdings entstehen Bücher immer aus kreativen Prozessen und auch alle anderen Texte entstehen aus kreativen Prozessen.
Wir haben hier das große Problem, wie man über Kreativität spricht. Wer einmal länger über dieses Thema nachgedacht hat, wird merken, dass uns eine Sprache für offene Prozesse fehlt. Alles soll heute in Ziele und Ergebnisse gepackt werden. Aber wenn es um den Weg dorthin geht, verstummen viele Menschen und sagen solche seltsamen Sätze wie "Handle einfach aus dem Bauch!" oder "Das wird schon!"
Die Offenheit der Kreativität bleibt fast immer ohne Worte. Sie bleibt sozial folgenlos und die meisten Menschen lernen nicht, diese Offenheit für sich selbst auszudrücken. Die Menschen verstummen, noch bevor sie gelernt haben, richtig über ihre Kreativität zu sprechen.

Schlimmer noch: eine offene Sprache zu entwickeln - eine, die nicht zielorientiert ist - wird oft belächelt ...

Wie wichtig aber dieser offene Umgang miteinander ist, kann man daran ermessen, dass jede Demokratie eine offene Gesellschaft sein muss, und das heißt nichts anderes, als dass eine demokratische Gesellschaft eine kreative Gesellschaft ist.
Unsere kleine Kreativität im freien Schreiben ist vielleicht noch ein sehr privates Vergnügen, aber auch ein Übungsfeld für die alltägliche Politik, für den alltäglichen, demokratischen Umgang miteinander.

Themengebundenes freies Schreiben (brain storming)
Vom freien Schreiben zum gestaltenden Schreiben kommt man durch Ideensammlungen.
Hierfür ist nur eine kleine Änderung notwendig:

Statt wie bisher einfach irgendwo zu beginnen, beginnt man mit einem Thema.
Schreib dir also das Thema oben auf das Blatt, zum Beispiel "Wut" oder "Der Kriminalroman" - und dann schreibst du alles auf, was dir einfällt.
Auch hier ist es wichtig, dass du erstmal nicht darüber nachdenkst, ob das, was du schreibst, zum Thema passt.

Später kannst du mit dem brain storming so umgehen:
  1. Leg dir eine Liste mit den zehn (fünfzehn, zwanzig - wie es dir passt) wichtigstes Einfällen zum Thema an.
  2. Leg dir eine Liste mit den zehn (fünfzehn, zwanzig ...) unwichtigsten Einfällen zum Thema an.
  3. Leg dir eine Liste mit den zehn (fünfzehn, zwanzig ...) seltsamsten Einfällen zum Thema an.
Punkt zwei und drei sind übrigens sehr wichtig dabei.
Meist sind die unwichtigen Einfälle entweder nur scheinbar unwichtig. Dann weisen sie auf unerkannte Beziehungen hin. Oder die unwichtigen Einfälle zeigen an, wo sich ein Thema in ein anderes Thema verwandelt: die unwichtigen Einfälle sind dann Assoziationen. Beides ist für die Kreativität enorm wichtig.
Seltsame Einfälle dagegen zeigen entweder auch unerkannte Inhalte im Thema an, oder sie erzeugen Kontraste zum Thema, mit denen man humorvoll oder absurd oder verfremdend arbeiten kann.

Der Monstersaal - Wie man mit Blockaden umgehen kann.
Bei vielen Menschen stellen sich sofort Blockaden ein, wenn sie mit dem Schreiben anfangen.
Beim ersten freien Schreiben sprudeln nur so die Selbstzweifel empor. "Du kannst das nicht!", "Du bist zu dumm!", "Du hast sowieso keine Ideen!", "Du machst dich lächerlich!" und dergleichen mehr.

Julia Cameron schlägt folgende Übung vor:
Schreibe folgenden Satz oben auf ein Blatt: "Ich - [hier steht dein Name] - bin ein hervorragender Schriftsteller / eine hervorragende Schriftstellerin."

Cameron schreibt dazu: "Einwände werden hochspringen wie verbrannte Toasts."

Und genau um diese Einwände geht es. Fülle das Blatt mit allen Einwänden, die dir zu diesem Satz einfallen. Den wichtigsten Einwänden widmest du dann etwas mehr Zeit.
  1. Schreibe diesen Einwänden einen eher unhöflichen Brief! oder
  2. Schreibe zu jedem Einwand eine erfundene oder wirklich erlebte Szene auf, einer Szene, in der dieser Satz gefallen ist. Notfalls kann die Szene auch in Stichworten da stehen.
Bastel dir also deinen eigenen kleinen Monstersaal mit all den kleinen griesgrämigen und stichelnden und nervenden und lärmenden Sätzen, die dir bisher das Leben so schwer gemacht haben. Entwickel für diese kleinen Monster so viel Liebe, Spott, Gelassenheit und Humor, wie dir notwendig erscheint. Notfalls kümmerst du dich um ein besonders hartnäckiges Monster mehrmals.
Bei mir hat der Satz "Alles, was du schreibst, ist schon mal geschrieben worden!" zu einer langen Arbeit geführt. Vor allem dieser Satz, dass ich nie, nie, nie etwas Neues schaffen würde, hat mich immer wieder am Arbeiten gehindert. Schließlich aber konnte ich ihn dann doch aus meinem Kopf heraus werfen.

All das sind natürlich keine Patentrezepte. Es sind gute Schritte auf einem guten Weg.

Ich jedenfalls freue mich über jeden Menschen, der diesen Weg gehen will.

Liebe Grüße,
Adrian

3 Kommentare:

Gabaretha hat gesagt…

Hi Adrian,
ein guter und hilfreicher Beitrag - und wie man an Deinem Blog sehen kann, hat er sehr viel Gutes bewirkt!
Ich find das Buch auch super und freue mich, wenn Du darüber erzählst!
Alles Liebe,
Gaba

Adrian hat gesagt…

Hallo Gaba!

Ich empfehle die gute Frau Cameron ("Der Weg des Künstlers" heißt ihr Buch, für alle, die hier frisch einsteigen) so oft, dass ich mir schon überlegt habe, ob ich Werbeprozente verlange. :-)

Adrian

Anonym hat gesagt…

Hallo Adrian,

schöner Beitrag, der einen weiten Bogen spannt von Morgenseiten bis zum Monstersaal.

Ich hab das Buch auch und schreibe Morgenseiten (aber eisern 3 Seiten, egal wie lange es dauert;-). Liest du eigentlich später dein geschriebenes nochmal nach? Und wenn ja wann?

LG
[;-] Nati